Das mit dem Indianerkostüm scheint irgendwie an mir vorbei gegangen zu sein. Kann mich da mal eine aufklären?
du hast mich gerufen?
cultural appropriation.
das ist in deutschland nicht so thema wie in den usa. letztlich geht es darum, daß das, was eine kleidung "indianisch" aussehen läßt, bedeutung hat. der federkopfschmuck ist heilig, hat kulturelle bedeutung und ist für den eingeweihten lesbar. ein indianer mit diesem kopfschmuck ist sich all dessen bewußt, er lebt tradition und versucht, dem kleidungsstück gerecht zu werden.
genau das tut der besoffene karnevallist nicht. er zieht damit geheiligte symbole in den dreck.
ähnlich kann man über blackfacing diskutieren. screamin jay hawkins hat nicht nur einen der größten hits von ccr geschrieben, er hat als schwarzer bluesmusiker quasi blackfacing betrieben: er ist als wilder voodoo-neger auf die bühne gegangen, mit wilden grimmassen, knochen in der nase und weit aufgerissenen augen. für ein weißes publikum. der primitive buschneger ist aber ein beleidigendes stereotyp. in der eher urbanen realität heute gibt es diesen typ nicht und im busch war der wilde mann eine kristallisation des kultischen. die körperbemalungen, ziernarben, schmuckstücke, frisuren, kleidung, waffen, tänze... alles ist voller bedeutung und heilig. allein aus der richtung verbietet sich das. zudem war blackfacing eine technik, schwarze aus der darstellung von schwarzen in theater und film zu verdrängen - schwarze hatten also keine möglichkeit, sich selbst authentisch zu repräsentieren und ihr image als vernunftbegabte menschen selbst zu bestimmen. da hat eher ein weißer die augen gerollt, "ja, massa" gesagt und dumme scherze gerissen.
bei vice gab es gestern einen schönen artikel von einem chinesen über den bayrischen chinesenfasching. ein fazit war, daß sich kulturelle aneignung nur dann nicht beleidigend anfühlt, wenn sie mit respekt geschieht. die stadt mit dem chinesenfasching unterhält partnerschaften nach china, die darsteller machen sich große gedanken um die authentizität ihrer kostüme, übersetzen ihre narrennamen in korrektes chinesisch etc. da ist ernst spürbar.
für kinder seh ich das nicht eng. ich hatte ein tolles indianerkostüm als kind. und respekt. ich hatte karl may im blut. wenn wir den pierre an den baum gefesselt haben und "heyahumba-heyaho" singend und gummiäxte schwenkend um ihn drumherum getanzt sind war das bitterer ernst. und einem echten indianer wären wir mit nichts als neugier und respekt begegnet. kinder haben in der hinsicht eine unschuld, die ein erwachsener im partymodus eben nicht hat.
das mag bei reenactment-gruppen anders sein, da gibt es wieder den ernst, die nachforschung, den respekt.
drag ist auch so ein thema. das machtgefälle zwischen mann und frau ist präsent und wird nur dadurch nivelliert, daß unterprevilierte (schwule) andere unterprivilegierte (frauen) spielen. und respekt ist im akt der verwandlung inbegriffen, im beine rasieren, der komplizierten schminkprozedur, den kunstvoll auftoupierten perücken, dem "tuck", also dem nicht gerade angenehmen verstecken der männlichen geschlechtsteile... ein drag-darsteller übt einiges an demut vor dem frau-sein bevor er auf der bühne die persiflage einer besoffenen schlampe oder diva gibt. eine gute dragqueen ist hohe kunst - onkel rainer im minirock ist es nicht.
was im ernst oder in der kunst mit ernstem streben noch ok ist, ist eben als partygag zumindest fragwürdig. wenn das private politisch ist, ist eine verkleidung nicht immer unschuldig.
), aber versuche trotzdem aufzuklären:
