Ich möchte noch mal auf den ersten Teil meines Posts zurückkommen: Die erste Frage muß lauten, ob der Witz bestehende -ismen aufgreift, fortführt und zementiert. Österreicher und Ostfriesen sind und waren nie das Ziel von -ismen. Ostfriesenwitze haben mich damals geärgert, aber niemand hat mir oder irgendeinem anderen Ostfriesen auf der Straße angesehen, daß wir Ostfriesen sind. Schwarze und Frauen können das nicht von sich behaupten. Sie sind immer und in jeder Sekunde ihres Lebens Menschen mit einem Stigma und werden täglich daran erinnert, unter anderem durch solche Witze.
Du wirst nicht an Werten gemessen, die du für dich beanspruchst, sondern an Werten, die dein Handeln erkennen läßt. Eine Haltung der Marke "Ich bin kein... , aber..." ist nicht widerspruchsfrei, mithin angreifbar und in der Summe am Ende eigentlich auch unhaltbar. Eine feste, verinnerlichte Überzeugung mit den damit verbundenen Überlegungen würde bestimmte ihr entgegenstehende Handlungen verbieten.
Aber kein Mensch ist Widerspruchsfrei. Ich mußte mir auch oft genug erbitterte Vorwürfe anhören, weil meine Handlungen es nicht mit meinem Anspruch aufnehmen konnten. Das ist natürlich und sollte uns nur dazu bringen, unseren Ansprüchen gerecht zu werden und nicht rumzuschludern. Was war ich feministisch - bis ich mal angefangen habe, Klassiker des Feminismus zu lesen. Ich hatte nicht den blassesten Schimmer, weil ich aus meiner bequemen Warte geurteilt habe statt Betroffenen zuzuhören.
Ich werfe dir also nicht vor, ein Arsch zu sein, sondern in deinem Bestreben, ein guter und jeden Tag besserer Mensch zu sein nachlässig gewesen zu sein.
Was mich hier halt immer erstaunt ist die Reaktion auf "Witzpolizeiismus", in der es nie darum geht, sich mal zu hinterfragen und weiterzuentwickeln, sondern die beleidigte Leberwurst zu spielen. "Dann darf man ja bald gar nichts mehr...!" Stimmt nicht. Loriot ist für mich einer der witzigsten und zeitlos witzigsten Menschen aller Zeiten. Seine Witze behandelten das Unbehagen des Menschen in Konfrontation mit seinen eigenen Konventionen. Der Witz über die Frau landete als Ohrfeige im Gesicht des Mannes, die Interaktion der Geschlechter wurde durch ihre gesellschaftlichen Spielregeln lächerlich und nicht weil Mann oder Frau scheiße waren. Seine Witze mochten auch mal weh getan haben - aber dann da wo es nötig war und nicht weil man achtlos auf anderen herumgetrampelt ist.
