(1) letztens habe ich im Editorial eines Outdoor-Magazins oder -Kataloges dieses (sinngemäß) gelesen
"Jahrelang war ich mit meinem guten Messer sehr zufrieden. Dann habe ich mir irgendwann ein teures Edelmesser für 400€ gekauft. Seitdem bin ich in der Hölle angelangt. Ich vergleiche Feinheiten zwischen superteuren Messern und finde meinen Frieden nicht mehr."
Ich fühlte mich ziemlich ertappt. Die Falle, in der wir uns alle befinden heißt "Optimierungswahn" gepaart mit "Hypersensibilität für feinste Feinheiten". Daran geht man kaputt.
(2) es gibt nicht den einen Superbass. In jeder meiner Bands passt ein andere Bass am besten rein. Ein Bass, der in der einen Band Glücksgefühle beim Drummer auslöst, weil das Bottom-End so schön drückt, geht dem anderen Drummer nur auf die Nerven, weil frequenztechnisch die Anschläge der Percussionteile zugedeckt werden. Das lange Sustain des einen Basses ist mal großartig und anderswo too much.
Fazit: es kommt auf die Umstände an. Die eine Allzweckwaffe existiert nicht.
Ich geb gerne zu dass ich auch jahrelang diesem Optimierungswahn erlegen war und große Mühe hatte und manchmal noch habe, mich dem suzessive zu entziehen. Ich wollte das beste Equipment (natürlich immer budgetbezogen) und hab viel Geld für Optimierungsfirlefanz ausgegeben. Hat manchmal zu einer kurzfristigen Euphorie und mittelfristig dann doch wieder zu einer Ernüchterung geführt.
Ich hab insofern Dutzende von Bässen (in der Preisklasse 250 bis max ca. 5000 EUR Neupreis) gespielt, teures und preisgünstiges Equipment ausprobiert, besessen, verkauft und auch Bodentreterchen, anlog und digital (auch Multis vieler Hersteller) besessen und wieder verkauft. In diversesten Formationen und "Projekten" an unterschiedlichen Plätzen gespielt, vor martialischem Metal bis Worship in der Kirche.
Ja, es macht auch Spaß mmer wieder mal was Neues zu probieren, sich hier im Forum exzessiv auszutauschen, zu philosphieren, es bringt Erkenntnisgewinn und irgendwann weiß man, dass es selten Wunder gibt und "gute Musik" meist wenig oder nur bedingt damit zu tun hat.
Meine Erfahrungen mal "put in a nutshell":
Der beste Bass ist der, der die glücklich macht, wenn Du ihn anschaust, ihn die Hand nimmst und ihn spielst. Die beste Anlage ist die, die Glückshormone bei Dir ausschüttet, wenn Du sie hörst. Es ist völlig wurst, ob ein ZVEX oder ein Darkglass (oder nur ein Kabel) zwischen Deinem Bass oder der Anlage ist, wenn es geil klingt und Du Gänsehaut bekommst, wenn die ersten Takte gespielt werden.
Es ist in diesem Sinne nicht wichtig, ob Du viel Equipment hast oder was an Markennamen drauf steht, sondern dass es Dich in diesem Sinne "glücklich macht" und Du es gerne und mit Begeisterung nutzt. Deine Hingabe an die Musik, den Sound und den Flow der Musik, die Energie die dann auf der Bühne entsteht, ist viel wichtiger als das "perfekte" Setup.
Es ist besser, wenn Du Deinen Sound auf der Bühne beherrscht und genau weiß, wo Du hingreifen mußt, wenn Du was ändern willst, als wenn Du tausend Einstellmöglichkeiten hast. Es ist besser, wenn Du Dich auf Deine Bandkollegen Hundert Prozent verlassen kannst, als wenn das nicht so ist und sie dafür Supertechniker an ihrem Instrument sind.
Es ist tausend Mal wichtiger, dass Kontakt zum Publikum entsteht und das Publikum durch die Musik berührt wird, als wenn die Band zu 100% technisch perfekt spielt.
Und es ist auch ziemlich egal, was andere darüber denken.
Du hast möglicherweise dann Optimierungsbedarf, wenn Dich etwas an Deinem Setup dauerhaft stört, selbst wenn Du nicht mal genau weißt, was es ist. Bei mir gibt es die interessante Erfahrung, dass ich manchmal mit hochpreisigem Equipment unzufriedener war, als mit meinem Standard-Besteck, vielleicht auch, weil ich die Bedeutung des Equipments preisbezogen total überschätzt habe.
Ich hab viel Geld über die Jahre eingesetzt, um zu dieser schlichten Erkenntnis für mich zu kommen, was allerdings ziemlich befreiend ist. Mein Lieblingssetup ist inzwischen ziemlich klein und überschaubar, alle Komponenten sind gebraucht, und sind alles Standardteile und nix exotisches dabei. Der teurere Teil meines Equiments ist inzwischen, wenn ich ehrlich mit mir selber bin, wahrscheinlich entbehrlich... auch wenn ich noch nicht so weit bin, alles zu verscherbeln...
