Das war zwar nicht mein erster Gig, dafür aber der erste und einzige einer Band, die wir Ende der 90er gegründet hatten. Ich spielte damals Rhythmusgitarre, weil die Bassistenstelle schon besetzt war. Nach ein paar Monaten Proberaum verkündete einer von uns, er hätte unseren ersten Gig klargemacht: Wir sollten bei einer Art Festival mit mehreren Amateurbands in Güls auftreten. Äh, wo bitte? In Güls, Stadtteil von Koblenz. Aha. In einem Café Dingens oder so ähnlich.
In den Wochen drauf schafften wir uns ein paar Covers drauf, von „Jesus Just Left Chicago“ von ZZ Top bis „Word up“ von Cameo (dabei durfte ich sogar am Bass ran). Dann ging‘s ab nach Koblenz. Das Café Dingens entpuppte sich als das Café Hahn. In dem hatten, wie ich ehrfürchtig feststellen musste, auch schon Leute wie Joe Zawinul und Dave Brubeck auf der Bühne gestanden. Und jetzt wir. Huch.
Den Auftakt machte eine Coverband, die im Hahn so was wie die Local Heroes waren. Ziemlich versierte Truppe, die trauten sich sogar an Klassiker wie „Stairway to Heaven“ ran (mit einer Sängerin!). Ziemlich mutig, fand ich, weil man natürlich jede Abweichung vom Original sofort mitbekam. Anschließend spielte ein hochsensibles Folk-Gitarrenduo. Tja, und dann waren wir dran.
Ein Typ kündigte uns an. „Und jetzt …“ – er glotzte auf seinen Zettel – „… eine neue Band aus Köln: Kaiser Sozi.“ Witzig, aber eigentlich hießen wir Keyser Soze (nach dem Typ aus dem Film „Die üblichen Verdächtigen“). Vielleicht hielt er uns für die Begleitcombo von Rudolf Scharping, der im benachbarten Lahnstein zur Schule gegangen war. Aber egal, wir legten direkt mit einer Nummer von Sugar los. Dann machte unser Sänger die Honneurs, er stieg von der Bühne, schäkerte mit dem Publikum und erzählte irgendwelchen Unfug („Wir waren übrigens früher mal eine Blues-Band ….“), er fand einfach kein Ende. Wir anderen standen derweil doof auf der Bühne rum, bis dem Bassisten schließlich der Kragen platzte. Er ging ans Mikro und raunzte: „Christian, ich will ja nicht stören. Aber könntest du dich vielleicht mal wieder zu uns gesellen?“
Wir coverten, hatten uns aber wohlweislich die ganz großen Nummern verkniffen und unbekanntere Songs aus der 2. Liga einstudiert. Die saßen wegen der kurzen Vorbereitungszeit zwar nicht perfekt, aber wir legen uns mächtig ins Zeug. Es lief ziemlich gut. Technisch konnten wir mit den anderen Bands nicht mithalten, aber wir klangen vermutlich deutlich lauter und dreckiger. Der Typ am Mischpult drehte die beiden Gitarren richtig hoch. Ein Bekannter sagte später, von der linken Bühnenseite sei eine richtige Soundwelle durch den Saal geschwappt. Kam gut, das Publikum fuhr drauf ab. Als Zugabe mussten wir einen Song noch mal spielen – wir hatten einfach keinen weiteren mehr drauf.
Nach dem Gig kreiste in der winzigen Umkleide ein Joint (den hatten die beiden Folkies gespendet). Unser Drummer, der vor dem Auftritt furchtbar nervös gewesen war, schwebte danach einen Meter über Normalnull. Ich ging wieder raus und hörte den Local Heroes zu, die noch ein zweites Set spielten. Da tippte mir plötzlich eine Frau auf die Schulter und forderte mich auf, mal mit ihr zu kommen. Sie führte mich in eine Ecke, wo ihre Freundin saß. Die beiden lächelten nett und sagten, wenn ich wolle, könne ich mir jetzt eine von ihnen aussuchen. Ich glotzte vermutlich ziemlich perplex. O Mann, das volle Programm? Nach Rock’n’Roll und Drugs jetzt auch noch Sex? – An dem Abend war anscheinend alles möglich. Aber ich wollte den Bogen nicht überspannen und kniff. Ich sagte mit aller Coolness, die ich aufbringen konnte: „Mädels, ich bin wirklich schwer gerührt. Aber wir wollen hier doch keinen Unsinn machen, oder?“
Keyser Soze löste sich übrigens ein paar Wochen nach dem schönen Gig recht sang- und klanglos auf. Das Übliche: rapider Motivationsabfall und Streit ums Repertoire. Schade eigentlich. Aber vielleicht auch besser so. Den Abend hätten wir vermutlich nur schwer toppen können.
alles gut!
