Es kommt wie immer drauf an. Die oberen Lagen spielen sich, sobald man das für manche rettende Ufer der Leersaiten hinter sich gelassen hat, auch nicht anders als die tieferen. Die Fingersätze sind dieselben, etc. ... erst wenn sich der Korpus (sowohl des Basses wie auch des Bassisten, wohlgemerkt) in den Weg stellen, muss man eventuell ein wenig anpassen.
Die Nutzung eines größeren Teils der Saitenlänge bietet vor allem auch höhere Variabilität im Sound. Ein Bb im ersten Bund der A-Saite ist zwar nominell der selbe Ton wie im 6. Bund der E-Saite oder (Gott bewahre) im 11. Bund der H-Saite, aber er hört sich halt jeweils ganz anders an. Je länger die schwingende Saite, desto mehr tonale Substanz kommt dabei raus.
Tapping passiert nicht deshalb in den hohen Regionen, weil dort der klang so schön wäre, sondern weil man da halt mit der zweiten Hand gut hinkommt. Und weil wir gerade beim Tapping sind: Da halte ich mich an eine Grundregel, die ich mal gelesen habe: "Jede spieltechnische Schwierigkeit verliert einen Großteil ihres Schreckens, wenn man erst die musikalische Notwendigkeit eingesehen hat." Vor diesem Hintergrund finde ich die Virtuosität von z.B. Charles Berthoud mehr als beeindruckend, kann mir aber recht selten einen musikalischen Kontext vorstellen, in dem es genau das braucht. Natürlich kann er wahrscheinlich 99,99% aller Bassisten dieser Welt in deren jeweiligem Genre in Grund und Boden spielen, aber er kann halt nicht überall zugleich sein, und oft braucht es musikalisch halt nicht das hochgezüchtete Rennpferd, sondern den genügsamen Ackergaul.
Publikum und Mitspieler richten an den Bass in der Regel gewisse Erwartungen und sind leicht zu irritieren, wenn man diese Erwartungen regelmäßig überschreitet und auf einmal Dinge spielt, mit denen niemand gerechnet hat. Das ist halt Pflicht und Kür: Im Ensemble ist selbst auf die virtuoseste Kür gesch*ssen, wenn die für den Bass vorgesehene Pflicht darunter leidet.
Als Bassist bist du erstmal der Bauherr, der das musikalische Haus für die anderen baut, nicht der Kunstmaler für die Fresken oder der Stukkateur für den Zierrat. Wenn du deiner Pflicht, ein Haus zu bauen, nicht nachkommst, sind die anderen musikalisch obdachlos.