Habe den Bass schon vor Monaten von MapMo abgeholt - ein netter Basserkollege übrigens, den ich nur beglückwünschen kann, dass er so ein Stück aufgetrieben hat. Seitdem war er einige Monate in der Werkstatt und das Ergebnis ist richtig klasse.
Habe mir natürlich bei der Übergabe alles genau angesehen und wollte Euch an dem Untersuchungsergebnis und den Restaurationen teilhaben lassen. Vielleicht interessiert es ja wen aus dem Forum. Vielleicht überlegt sich der Eine oder Andere ja, ob er jemals so ein Projekt angehen will - denn ganz ehrlich: einen Schatz findet man nicht fertig, den muss man sehr aufwendig freilegen...
So, jetzt kommt viel Text. Fangen wir von oben an... Ungeduldige überspringen die Details...
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Tuner:
1x original, 3x replaced (wohl von einem ca. 66er Preci, da die Zahnräder den "Huckel" haben), keiner davon verbogen, alle laufen weich und leicht. Nach einer gründlichen Reinigung und etwas Schmierung mit weißem Fett fast wie neu.
Headstock:
Ist etwas schmaler geschliffen (ca 12,8 mm statt 13,8 mm wie bei meinen anderen 62ern), aber das gedunkelte Holz ist noch sichtbar. Korrektes Decal wurde nach Frontlackierung zugefügt. Die Kopfplatten waren 62/63 im Allgemeinen eh schon etwas dünner ausgefallen als die späteren 63/64er, insofern sind 12,8 schon ziemlich wenig. Folgerichtig ist die Kopfplatte auch etwas stärker vorgebogen als bei meinen anderen 62ern oder gar meinem 64er, optisch kein Ding, aber das wirkt sich auf den Saitendruck auf den Sattel bei E-und A-Saite negativ aus.
Saitenniederhalter:
Periodengerecht ist der verchromte mit den weicheren Kanten verbaut.
Hootenanny Button:
War nicht vorhanden, Original jetzt hinzugefügt.
Sattel:
Das Spacing ist etwas breiter als normal (ca. +1 mm von E nach G), evtl. ist der Sattel mal ersetzt worden, sieht allerdings periodengerecht etwas gläsern aus und könnte daher original (gewesen) sein. Zumindest wurde er aber etwas sonderbar gefeilt - die Abstände zwischen (!) den Saiten sind gleich, nicht von deren Mitte zur Mitte. das war damals so nicht üblich. Der Sattel musste wegen des Halsanschliffs (s.u.) leider nochmal komplett erneuert werden - dann mit normalem Spacing, da sonst die Saiten zu nah am Griffbrettrand laufen.
Bünde:
Da lag leider eine sehr unprofessionelle Heimwerkerarbeit vor. Die waren nur reingelegt, hatten völlig unterschiedliche Längen und weder periodengerechtes Format noch Material. Manche Bünde fielen einfach raus. Durch ein grobes Herausrupfen der Originalbünde wurden auch die Schlitze unnötig verbreitert. Einige Bünde standen millimeterweit aus dem Bord heraus. Vernünftig bearbeitbar oder gar spielbar war das nicht mehr. Diese Bundierung musste komplett erneuert werden, natürlich mit korrekt schmalen Vintagebünden. Die Halskrümmung ist aber noch komplett in Ordnung und erlaubt eine flache Saitenlage, dennoch war die Bundierung neben der gesamten Halsbearbeitung der größte Aufwand bei der Restauration. Gott sei Dank wurden die Bundschlitze nicht komplett durch das Griffbrett gesägt, ein Fehler, den viele Restauratoren machen. Damit ruiniert man den klanglichen Anteil des Boards natürlich auf nahezu Null.
Truss Rod:
Funktioniert, die originale Schraube ist noch auf einer Ebene mit dem Halsende und noch nicht vernudelt.
Griffbrett:
Schönes Slab Board aus DN, am oberen Ende schon etwas abgeschliffen, zwischen den Bünden roh gereinigt, obere Region schon stark ausgetrocknet und wellig. Die Clay dots sind alle vorhanden, fest und schön gealtert, jetzt leider angeschliffen, aber das wird schon wieder. Seitenmarkierungen sind alle vorhanden und gut sichtbar. Das Griffbrett erstrahlt jetzt wieder in altem, geölten Glanz.
Hals:
Neben den Bünden der fetteste Problempunkt. Leider wurde er uneben an den Seiten angeschliffen, um den 5.-7. Bund ist er ca. 1 mm schmaler als normal, vorwiegend an der Treble-Seite. Das bedurfte einiger geschickter Bassbauerhände, um das wieder schön gleichmäßig hinzubekommen. Die Rückseite ist auch angeschliffen, fühlt sich aber schön worn-in an. Das Halsdatum May 62 ist gut sichtbar aber überlackiert. Das Matching von Halsende zu Halstasche ist nicht mehr vorhanden wegen mehrerer Überlackierungen. Nach der Restauration ist jetzt das Rio Board wieder schön erstrahlt, leider auch etwas weniger geworden durch das Abrichten. Die Bundarbeit ist erstklassig geworden, schön flachgefeilt an den Enden, wie man es vom Original kennt.
Pickguard:
Ist original und nur leicht geschrumpft, Schrauben passen alle noch und sind nicht schräg reingedengelt. Leider 2 Bohrlöcher für ein unpassendes Selbstbau-Pickup-Cover, sonst keine Beschädigungen.
Fingerrest:
Ist original und nur etwas verbogen.
Potiplatte:
Ist die originale, periodengerecht mit den kleinen, nicht gesenkten Löchern. Die Rundkopfschrauben sind neuer, passen aber. Derzeit keine originalen vorhanden - kann später gemacht werden.
Schaltung:
Ist tatsächlich komplett original mit 3x 3046218. Tone-Poti kratzte leicht, was mit etwas Deoxit erstmal beruhigt wurde (wird aber sicher wieder auftauchen, wenn man die Potis nicht komplett innenreinigt). Massekabel für Pickup-Messingplatten sind 2x neu, sonst sind alle Kabel original - die Lötstellen für Pickups und Masse natürlich nicht mehr. Kondensator, Buchse, Abschirmplatten - alles original, Knöpfe 2x original, aber 1x fehlend, jetzt mit einem originalen nachgerüstet.
Bridge:
Ist völlig verrostet - war eine Heidenarbeit, die erstmal überhaupt anfassbar zu machen. Die Brückchen sind leider nicht mehr zu retten - die Schrauben waren absolut fest. Die Bodenplatte ist verwendbar und original, der Rest wurde mit originalen Parts ersetzt (Schrauben, Federn, Brückchen).
Pickups:
Sind original und haben guten Output, Maronen-farbene Wicklung, schwarze Bobbins, original Kabel, original Schaumstoffunterlage, original Masseplatten.
Gurtpins:
Natürlich falscher Typ, jetzt restauriert mit originalen.
Body:
Schön gemaserte Erle, zweiteilig schräg verleimt, mit 3 gut sichtbaren Nail Holes und 4 Mute Holes. Das Shaping ist periodenkorrekt etwas ausgeprägter. Der Body ist nur wenig schmaler geworden durch Anschliff - jetzt ca. 41,3 mmm (statt etwa 41,8 wie sonst). Keine Routings, 2 Astlöcher, davon 1 im sichtbaren Bereich oberhalb des Pickguards. Das lässt vermuten, dass hier ab Werk kein Sunburst Finish verwendet wurde.
Halsplatte:
Hat eine periodengerechte Seriennummer. Das Matching der Halsplatten-Rückseite zum Body ist natürlich nicht mehr erkennbar. Die Schrauben wurden vermutlich ersetzt, passen aber.
Halstasche:
Mehrere Lackschichten, greift aber noch gut trotz der vielen Lack- und Schmirgelarbeiten. Der "Hump" ist noch vorhanden, ein Shimming ist nicht nötig.
Pickups Covers und Mutes:
Fehlte alles, jetzt original Teile mit periodengerechten Schrauben zugefügt, Covers mit kleinen, nicht gesenkten Schraublöchern.
Massedraht zur Bridge:
Wurde mal entfernt bzw. durch Kupferfolie ersetzt. Die Original Masseplatte mit Messingsteg ist aber noch vorhanden und wurde jetzt wieder installiert.
Lackierung:
Wurde komplett entfernt, da mehrere Nachlackierungen übereinander geschmiert waren. Originalfarbe vermutlich Olympic White. Das würde dann auch die vorne abgeschliffene Kopfplatte erklären. Sunburst eher unwahrscheinlich, weil im sichtbaren Bereich das Holz Astlöcher hat - darauf hat der Leo schon geachtet, dass diese Bodies dann deckend lackiert wurden. Zumindest war in den Routings hauptsächlich ein zahngelbweißes Finish zu sehen. Das wurde jetzt mit Nitro in Oly White erneuert und leicht gecrackelt, natürlich incl. Matching Headstock.
Gewicht:
ca. 4kg. Passt !
Koffer:
Ist original, periodengerecht mit orangenem Plüsch und in vergleichsweise excellentem Zustand. Alle Schließprofile funktionieren, wenn auch z.T. nur mit etwas Nachhilfe. Griff und Lederbesatz sind noch sehr gut und nicht verschlissen.
Hangtags und Tools:
Naja, die sind natürlich weg...
Sound:
War schon trotz der Klapperbünde schön griffig. Jazz Bass Growl vom Feinsten mit dem pappig-komprimierten Vintage Timbre. Etwas wolliger als meine Curved Board 62er. Schöner, charaktervoller Ton, nicht zu sauber - so muss ein pre-CBS klingen ! Sensibles Ansprechen auf die Aktionen der rechten Hand. Nur minimalste Deadspot-Erscheinungen auf der G-Saite bei 5. und 6. Bund. Kommt man aber nur drauf, weil man da ja gezielt sucht. Durch den Kopfplattenschliff erfolgte wohl keine Verlagerung an andere Stellen, was normalerweise die Folge ist.
Harmonics kommen präsent und glockig. Der Gesamtoutput ist auf normalem Level, beide Pickups (mit korrigierender Höheneinstellung) gleich kräftig.
Alles zusammen:
Schatz oder Schrott ? Schwer zu sagen für den Ausgangszustand. Mit sehr viel Restaurationsaufwand, einem guten Bassbauer und mit vielen Ersatzparts, von denen ich die meisten tatsächlich noch hier liegen hatte, ist nun ein sehr schöner pre-CBS herausbekommen, der wegen Refin und Refret zwar keinen abstrusen Sammlerwert hat, aber allemal mit Berechtigung in der ganz hohen Jazz Bass-Liga spielt und einen tollen Charme ausstrahlt. Man muss aber schon Lust am Restaurieren und etwas Phantasie, Ausdauer, Risikobereitschaft, Beziehungen und KnowHow (und leider auch Geld) mitbringen, um so eine Aktion zum Erfolg zu bringen.
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Jedem, der jetzt meint, man könnte mit so einer Aktion schnäppchenmäßig einen Schatz ergattern, dem empfehle ich, gründlich vorher darüber nachzudenken, ob das wirklich klappt. Da sind dann schnell mal ein paar Tausender in einen Schrotthaufen versenkt ohne einem Schatz auch nur nahe gekommen zu sein.
Ich bin jedenfalls sehr zufrieden mit dem jetzt vorliegenden Endergebnis.
