Denn ginge es den Menschen um Kapitalismuskritik würde doch eigentlich die Linke durch die Decke schießen müssen. Das tut sie aber nicht. Es ist die unmissverständliche Aussage "Flüchtlinge raus" die erschreckend zieht.
existenzangst ist vielschichtig: der musel vergewaltigt meine tochter, islamisiert mein kaff, nimmt mir die arbeitsplätze weg... gut, neben vergewaltigung und islamisierung ist die arbeitsplatzangst etwas diffiziler: man denkt, in deutschland, wo es uns eh nicht soooo gut geht gerade müsse man allgemein den gürtel enger schnallen um die wirtschaftsflüchtlingskrise zu überstehen. oder ähnlich irres zeug. ich denke, die hauptängste sind damit ganz gut umrissen.
die linke adressiert auch existenzängste, will sie aber anders lösen. ich vermute hinter der ablehnung dieser lösung immer wieder recht abstrakte vorstellungen wie "dann machen die hier ddr" oder "die verstaatlichen meinen nasenhaarrasierer". der kommunismus ist angeblich gescheitert und seither haben alle linken ideen ein imageproblem.
Scheinbar hast du ein extrem selektives Leseverhalten, so ungefähr nach dem Motto:
Wo kann ich einhaken und noch ein paar knallende Parolen platzieren.
nein. du sagst: "Ich sehe Armut nicht als Makel". was kann das heißen?
"er ist zwar arm aber trotzdem ein netter mensch"
"ich bin arm aber das ist kein problem für mich"
"armut ist kein gesellschaftliches problem"
...
es gibt da einige bedeutungsvarianten, die sehr subtil, aber sehr problematisch sind. der spruch an sich ist völlig zum kotzen. armut ist die empfindung des wenig begüterten und klar kann er selber aus seiner situation etwas machen und seinen zustand damit nicht als problem empfinden. aber als außenansicht hat das was ekelhaftes. "spiel ruhig mit den schmuddelkindern" ist genau so wiederlich wie "die sollen mal die ärmel hoch krempeln, wir haben damals 1950 auch urlaub in italien machen können".
armut ist ein makel. armut vernichtet die würde der von ihnen betroffenen personen. armut nimmt die möglichkeit zur teilhabe am öffentlichen leben, die möglichkeit gesund und nachhaltig zu leben. armut bringt menschen dazu, ihren körper zu verkaufen.
ein halbes jahr armut hat aus meiner frau und mir andere menschen gemacht. und es ist nichts romantisches dabei, grimmigen realitäten ins auge zu blicken und die frage beantworten zu müssen, welche bis vor kurzem undenkbare konsequenz man jetzt ziehen wird, um sich über wasser zu halten.
pfandflaschen gibt es schon lange. aber erst seit zehn jahren etwa sehe ich in frankfurt am hellerlichten tag menschen mit bloßen händen die mülleimer durchwühlen auf der suche nach flaschen. und eine bierflasche sind 8 cent, eine plastikflasche immerhin 25 cent. ich sehe in den fußgängerzonen bettelnde menschen, denen man ansieht, was sie armut mit ihnen macht. omas, die am ende ihres arbeitsamen lebens vorm aldi die hand auf halten, menschen die beim betteln ihr gesicht verbergen oder gar die unterwürfigste und demütigste körperhaltung annehmen, die denkbar ist. das ist alles weit entfernt von der romantik armer menschen in thailand oder cuba, die ein schwein oder ein huhn halten, um ein mal im jahr ein ordentliches fest feiern zu können.
nein. armut ist ein makel. einer der von dieser welt getilgt gehört.
aber so langsam habe ich die Hosen voll.
ich nicht. ich hab ein messer.
Wir ignorieren das Problem einfach, dann geht's von selbst?
und ich weiß nicht, gegen wen ich das ding einsetzen soll. politisch betrachtet löst sich so ein problem von selbst. man läßt die an der realpolitik zugrunde gehen. auch hitler ist im weitesten sinne an der realpolitik zugrunde gegangen. die konsequenzen dieser realpolitik waren für die ganze welt verheerend, ja. aber das zugrundegehen war recht final.
meine persönliche aktion kann nur lokal erfolgen, indem ich meine werte wie beispielsweise solidarität oder positiver umgang miteinander offen lebe. das ist ein eher passiver kampf, aber ein wichtiger. wenn die pegidisten mit mir in den ring steigen wollen, können sie das auch haben, das käme meiner seelischen ausgeglichenheit zu gute. aber die wollen ja nicht. und einen wochenendtrip nach sachsen (wo die braunen nazis wachsen) brauch ich jetzt auch nicht unbedingt zur erholung.