Hmm... Hab lange drüber nachgedacht, hier auch was zu schreiben, weil mir das Thema leider (weil es aus beruflichen Gründen herrührt) sehr auf den Magen schlägt.
Es ist sicherlich immer gut, darüber zu reden und zu diskutieren. Aber leider (und damit zeigt es sich, wie uninformiert die Leute meist über dieses Thema sind) verkennen die meisten hier den wirklichen Inhalt dieser Diskussion, die eigentlich viel größer ist als das, was so an der Oberfläche sichtbar ist. Daher mal wieder von mir: Sorry for long post... Ich will nicht klugscheißen, wirklich nicht, aber ich hoffe, das hier hilft ein bisschen, die Diskussion überhaupt mal zu verstehen.
Dass es schwer ist, das Ganze zu verstehen, wird gut an der Frage von Rabarvek sichtbar: Worum geht es hier überhaupt? Es geht vordergründig um die Art und Weise, mit der die amtierenden Spitzenpolitiker der in Deutschland vorhandenen großen Parteien (CDU, SPD und ein bisschen auch die F.D.P.) gegen die Kinderpornographie vorgehen wollen.
Der Wunsch, überhaupt hier gegen vorgehen zu wollen, ist sicherlich absolut richtig und unterliegt - da es sich ohnehin um längst geregelte Straftatbestände handelt - selbstverständlich auch hoheitlicher Eingriffsbefugnis, sprich: Kinderpornographie muss staatlich reglementiert und bekämpft werden. Soweit, so gut...
Das Problem an dieser Sache ist (zunächst mal lediglich), dass die politische Seite der Kinderpornographie im Internet eben nicht durch Eindämmung oder verstärkter strafrechtlicher Verfolgung (die ja jetzt schon ohne Weiteres möglich wäre) Herr werden will, sondern lediglich durch das Blockieren solcher Inhalte. Das zumindest war die erste Fassung, die auf Initiative von Frau von der Leyen (zumindest hat sie am lautesten geschrieen) in der Diskussion war. Wer nach dieser Fassung der Idee auf so ein Stoppschild gestoßen wäre (warum auch immer - sh. unten), wäre sofort nicht nur mitgeloggt worden, sondern hätte ebenfalls in dieser ersten Fassung des Gesetzesentwurfs SOFORT eine strafrechtliche Verfolgung am Bein gehabt. Nach Anhörung u.a. speziell für das Thema eingerichteter Expertengruppen hat man dies abgeschwächt und möchte nun die Stoppschilder einführen, die nicht direkt einer Sperrung (zu) der betreffenden Internetseite gleichkommen, weil diese ohnehin viel zu leicht umgangen werden könnte, sondern erst einmal einem vorgeschalteten Hinweis.
Technisch ist dies übrigens in der ersten Stufe fast das Gleiche, als würde man die Seite sperren wollen: Man muss den User, der auf so eine Seite möchte, erstmal "abfangen". Und hier liegt dann endlich der Hase im Pfeffer. Das Ganze beginnt erst einmal damit, dass man den User sich nicht mehr "ungestört" im Netz bewegen lässt (eigentlich kein Problem, denn wer als normaler Internetnutzer meint, sich im Internet anonym zu bewegen, dem kann nur noch schwerlich geholfen werden...), aber sämtliche weiteren Schritte, egal ob Sperrung oder Hinweisschild, ja von irgendwem als Ressource zur Verfügung gestellt werden soll. Dies soll nach den Vorstellungen unserer Spitzenpolitiker das BKA sein und eine dort eigens eingerichtete Stelle. Diese Stelle soll also a) die Netzüberwachung betreuen, b) die Stoppschilder "aufstellen", c) den ankommenden Traffic (=IP-Adresse, Datum, Uhrzeit etc. pp.) mitschreiben und finally d) darüber entscheiden, ob weitere Maßnahmen gegen den IP-Adressen-Besitzer eingeschaltet werden sollen. Das BKA soll auch darüber entscheiden können, ob nicht doch eine Vollsperrung für die Seite gesetzt werden soll. Darüber hinaus soll auch das BKA die Stelle sein, die allein darüber entscheidet, wann so ein Stoppschild gesetzt wird. Dieser zu installierende Filter ist natürlich flexibel, kann und wird ständig erweitert werden und darüber hinaus unterliegt die Liste der "gesperrten" Webseiten zumindest offiziell strengster Geheimhaltung (es gibt allerdings bereits jetzt Entwürfe dieser Liste auf einschlägigen Seiten zum Anschauen, wer die liest, kommt von der These, es gäbe kaum Seiten dieser Art innerhalb von wenigen Sekunden runter, leider).
Nun kommt hier aber schon der zweite Knackpunkt: Das BKA ist eine Behörde und nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung würde dies bedeuten, dass ein Teil der Exekutiven hier Dinge machen kann, die kein Schwein kontrollieren können dürfte und denen der Bürger in der letzten Konsequenz schutzlos ausgeliefert wäre. Die Kritiker dieser geplanten Regelung beziehen sich darauf, dass z.B. ein mit böser Absicht geparkter und als harmlos getarnter Link irgendwo im Internet schon dazu führen könnte, dass Otto-Normaluser durch Klick auf diesen Link in die Mühlen der Verwaltung gerät, weil er sich plötzlich vor einem Stoppschild befindet, was er vorher nicht wissen konnte. Darüber hinaus würde die Allmacht des BKA bei der Zusammenstellung der Sperr-Liste und bei der Wahl der einzusetzenden Mittel ebenfalls nicht von außen kontrollierbar sein, zumindest nicht im Grundgedanken. Das bedeutet also, dass in dieser Sache als einzige Stelle, ohne großartige Kontroll- oder wenigstens Einsichtmöglichkeit seitens der Bürger eine extreme Einflussnahme erhalten würde. Das geht insoweit nicht, als dass das Prinzip der Gewaltenteilung und unsere speziellen sowie auch nicht-speziellen Staatsrechts- und Verwaltungsrechtsnormen dies überhaupt nicht zulassen. Das Prinzip, dass der Bürger vor staatlichen Eingriffen, die scheinbar willkürlich erfolgen, geschützt werden muss (sh. Grundgesetz und sämtliche weiteren Staats- und Verwaltungsrechtsregelungen) würde hiermit zunichte gemacht.
Das ist vor allem deshalb problematisch, weil das Internet als eine der aus Sicht des freiheitlich-demokratischen Grundgedankens freiesten Plattformen überhaupt anzusehen ist.
Fazit:
Drei Probleme aus Sicht der Kritiker:
1. Es wird gesagt, dass die "Wahl der Waffen" gegen Kinderpornographie hier ganz einfach falsch ist, da man das Thema an sich gar nicht wirklich bekämpfen würde, sondern lediglich einen Vorhand davor packen würde.
2. Staatliche Kontroll(!!!)-Eingriffe auf das Internet als Kommunikations- und Meinungsfreiheits-Plattform sind grundsätzlich unzulässig und verstoßen gegen das Grundgesetz.
3. Die Zuständigkeit sei falsch gewählt und ermöglicht einer einzelnen Behörde im Alleingang sowohl Zensurrechte als auch den willkürlichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte einzelner Bürger.
Schlussendlich will ich aber auch mal meine eigene Meinung dazu sagen und die ist kürzer als das Geschreibsel dort oben:
- Frau von der Leyen mag - wie oben irgendwo zu lesen ist - eine (Zitat
"bemerkenswerte Frau, die besseres verdient hätte, als so einen opportunistischen Dünnschiss" sein. Das ist aber ehrlich gesagt völlig latte. Denn die Gute tritt mit ihren Vorschlägen das Grundgesetz mit Füßen und das sollte sie als Spitzenpolitikerin ganz einfach wissen. Inzwischen weiß sie es. Sie und Ihre "Parteifreunde" (der Begriff ist nicht von mir) sind ja mehrfach darauf angesprochen worden. Sie sieht das Ganze nach wie vor nicht ein und behauptet, dass jede kinderpornographische Seite, die nicht angeklickt wird, ein Gewinn sei. Aha... Auf wessen Kosten? Und ist es das wirklich? Denn:
- Die Maßnahme geht voll ins Leere. Volker Pispers (ein deutscher Kabarretist) hat das Ganze sehr schön umschrieben: "...Vergleichbar wäre: Ein Polizist überrascht einen Vergewaltiger auf frischer Tat und statt sich auf ihn zu stürzen, errichtet er einen Sichtschutz, damit zufällig vorbei kommende Passanten die schrecklichen Bilder nicht unfreiwillig ansehen müsssen...", (Quelle:
http://www.wikio.de/video/1297890). Diese Maßnahmen helfen also nicht wirklich, Kinderpornographie zu bekämpfen, sondern nur sie klein zu reden.
- Über 130.000 Petanten im Internet, die sich gegen die staatliche Internetkontrolle aber natürlich nicht gegen die Bekämpfung der Kinderpornographie ausgesprochen haben, wurden schlichtweg bei der Erstellung der letzen Fassung des Gesetzesentwurfes übergangen, obwohl auch das staatsrechtlich nicht zulässig ist. Das Gesetz soll jetzt kommen, noch im Juli 2009. Schön getarnt im Sommerloch, wenn kein Arsch sich aufregt, weil alle im Süden sind und sich die Sonne auf den Pelz brennen lassen. Armes Deutschland mit noch ärmeren Politikern.
- Das Video, welches hier von Joke gepostet wurde, sehe ich eher zielgruppenorientiert. Ich glaube nicht, dass hier die "große Kunst" hergestellt werden sollte, sondern man möchte mit einem Disco-Beat und einfacher Sprache eben die ansprechen, die sich permanent und tagtäglich wie selbstverständlich im Internet tummeln, aber gar nicht wissen, was ihnen blüht. Nämlich unsere Kiddies. Ist das etwa schlecht? NEIN! Das hat etwas mit der Bildung von Medienkompetenz zu tun, nach der ja alle schreien. Gut so! Mir persönlich muss das Video nicht gefallen und der Song auch nicht. Hauptsache, er erreicht wenigstens ein paar Leute.
- Unter dem Vorwand der Bekämpfung von irgendeinem mediengeilen Thema (in diesem Fall ist es die Kinderpornographie, aber was kommt morgen???) wird dem Staat das Recht gegeben, freiheitlich-demokratische Grundsätze zu missachten, für die viele, viele Nationen erst einmal Weltkriege miterleben mussten, um sie später für sich nutzen zu dürfen? Nein! Ohne mich! Denn wenn erst einmal die Möglichkeit für solche Eingriffe gegeben wird - unter zunächst einmal vernünftig anmutenden Zielen - dann sind die nächsten Schritte nicht weit.
- Ich halte Beiträge wie der von Tonkunst oder auch allein das zitierte Video an sich schon für richtig. Zeichen setzen und auch mal das Maul aufmachen. Müssen ja nicht alle mit leben, muss vor allem keiner toll finden. Besser als nichts tun, sich nicht wenigstens mal versuchen zu informieren und nicht seine Meinung zu äußern ist es allemal. Schade, dass der Beitrag von Tonkunst so'n bissl in die Richtung geht (und genau das ja auch von Vielen so dankbar angenommen und zurück geschossen wurde) sich gegenseitig aus welchen Gründen auch immer an die Gurgel zu gehen. Es macht aus beiden Seiten betrachtet keinen Sinn, den "anderen" hier irgendwas vorzuwerfen. Die, die "schuld" sind an dieser Diskussion und an den schlimmen Auswüchsen, die hieraus entstehen könnten, sind andere. Das seid nicht Ihr und Ihr habt infolge dessen auch keinen Grund, den anderen irgendwas vorzuwerfen.
Danke für Eure Geduld. Ich hab die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen, aber das Thema ist mir zu wichtig, um "nur mal eben was" dazu zu schreiben.
