Ein bisschen Grauzonen schaden nicht, find ich auch.
ALLGEMEIN
Wenn man seine Veranlagung zu Suchtverhalten im Allgemeinen (von Alk über Koks bis Sport und Candy Crush) und im spezifischen („Wo bin ich verführbar?“) kennt, ist kontrollierter und verantwortlicher Konsum prinzipiell natürlich möglich (außer vielleicht, ich komme aus der Sucht, dann besser nicht). Dass leider sehr viele Menschen genau dies nicht können oder unter sozialem Druck aufrecht erhalten können, zeigen die entsprechen Statistiken - Todesursache (auch) suchtmittelbedingt - ja deutlich.
Deshalb braucht man z.B. auch in der Legalisierungsdebatte von Cannabis m.E. gar nicht darüber zu diskutieren, ob Jugendliche/Erwachsene/Menschen mit legalen Suchtmitteln adäquat umgehen können. Können sie nämlich nicht, das wissen wir schon von Alkohol und Zigaretten.
Es bleibt also individuell: Wenn ich meine Grenzen klar hab, spricht m.E. nichts gegen einen (gezielten) Rausch. Und Grenzen bedeuten für mich vor allem, zu wissen, wann ich nicht konsumiere, weil ich mich dann gefährde. Denn einen Grund für Konsum finde ich immer, wenn ich will.
PERSÖNLICH
Musik machen hat für mich zwei Aspekte: einen schöpferischen und einen darbietenden.
Für letzteren brauch ich einen möglichst gut funktionierenden Geist und Körper. Und den hab ich halt vor allem, wenn ich weitestgehend klar bin. Keine Frage. Und ich möchte auch Musiker und Bands sehen (und bezahlen), die diese Funktionalität gewährleisten. Wenn ich mir bekiffte oder besoffene Menschen ansehen will, geh ich zum Sit-In oder ins Bierzelt.
Zu ersterem: Ich hab einen äußerst kreativen Kopf, und in dem geht sehr oft ne Menge ab. Das ist manchmal gut und manchmal schlecht. Manchmal finde ich daher einen gemäßigten Rausch geil, um das Ding mal was ruhiger zu kriegen. Tatsächlich bietet das dann häufig auch der Kreativität Raum… und nicht nur den Ideen, die nur gut wären, wenn man aufhören könnte, am nächsten Morgen nüchtern wieder aufzuwachen. Auch Musik macht übrigens Rausch, wenn’s läuft. Suchtmittel sind dann manchmal eher der Katalysator, wenn ich nach 8 Stunden Scheisse auf der Arbeit nonstop bei der Probe eintrudele. Das hat wahrscheinlich tatsächlich viel mehr psyschiche als physische Komponenten. Könnte man wahrscheinlich auch umkonditionieren auf Gummibärchen oder Yoga.
Gerade WEIL ich das geil finde, weiß ich aber um meine Gefährdung, und daher finde ich es für mich wichtig, bei klarem Kopf zu definieren, welche Suchtmittel in welchem Maße und in welchem Kontext Platz in meinem Leben haben, und - wie gesagt: vor allem: wo nicht.
Zum Beispiel hab ich überhaupt keine große Alltags-Connection zu Alk (das war eh nie meine Lieblings-Droge). Das ist für mich etwas zum Genießen. Ich trink mir gern ein Bier beim Abendessen. Das ist aber dann so lecker, dass ich das lieber nur auf's Wochenende beschränke, weil: Suchtgefahr. Harten Alk meide ich, aber mal nen Absacker nach dem Essen auswärts oder wenn Besuch da ist... okay für mich. Für mich alleine zu Hause... nicht okay für mich. Nen Whisky am Kamin... okay für mich. Bei der Party jedes Tablett mit Kurzen mitnehmen: nicht okay für mich.
Zigaretten hab ich zwei Jahrzehnte geraucht, und Aufhören war ein echter Kampf. Davon lass ich auf jeden Fall die Finger. Da weiß ich genau: "Die eine" fänd ich sofort super lecker, und da würde eine Hemmschwelle fallen, die ich nicht geahlten kriegen würde. Ich wäre im Nu wieder auf 30 pro Tag ohne Kontrolle.
Ganz andere Bereiche: Chips kommen mir nur ins Haus, wenn ich mir bewusst einen abendlichen Fressflash vor der Glotze damit gönne. Kinderriegel, fucking Kinderriegel!!!, esse ich maximal drei am Tag... völlige Eskalationsgefahr. Dämliche Handyspiele, die mein Resonanzbedürfnis befriedigen... absolute FOMO-Gefahr, kommen mir nicht auf's Gerät (letztens hat mein Sohn mich zu Clash Royale überredet... ich bin erledigt, ey, und ich wusste es vorher)...
Über andere Drogen wollten wir laut Startpost ja hier nicht reden, wenn ich das recht erinnere. Aber wenn ich rein hypothetisch als Bewohner des Grenzgebietes zu den Niederlanden mit Cannabis (vor allem durch's Musizieren) häufig in Kontakt gekommen wäre, würde ich das Zeug niemals zu Hause haben (so wie Chips) und nur in geringen Mengen und in sehr klar damit verknüpften, definierten Situationen konsumieren. Bandprobe wäre dann wahrscheinlich eine davon.
