Da gibt es einfach zwei verschiedene Auffassungen von dem was mit Sound gemeint ist. Das was viele mit dem „Sound aus den Fingern“ meinen, ist im übertragenen Sinne sowas wie die individuelle Gangart. Selbst wenn man nur die Umrisse einer bekannten Person sieht, kann man denjenigen an seiner Art zu gehen erkennen.
Das was du mit Sound meinst, ist dagegen sowas wie die (Ver-)Kleidung eines Menschen. Als Basser kann ich das Equipment wechseln und sehe damit so zu sagen anders aus. Diejenigen, die mich kennen, erkennen mich aber meistens an meiner Gangart wieder, egal was ich anhabe.
Gerade Anfängern gegenüber , die sich ersteinmal orientieren wollen, welcher Bass, Amp, Box wie klingt, finde ich die „Sound-kommt-aus-den-Fingern-Belehrung“ unfair und besserwisserisch. Die können mit dem Spruch erstmal nichts anfangen, auch wenn der Spieler den Klang mitbestimmt.
Ich denke mal, wenn man von einem Bassisten live oder auf einer Aufnahme beeindruckt sind, dann kommen sogar immer drei Dinge zusammen: das Instrument mit der ganzen Ton-Übertragungskette; die technischen Fähigkeiten und Eigenheiten des Musikers; und schließlich die musikalischen Inhalte, also das, was mit dem spezifischen Sound gespielt wird. Das bildet in der Wahrnehmung eine Einheit.
Als Instrumentalist sollte man keinen der drei Aspekte überbetonen oder vernachlässigen.
Ein Fokus auf das Instrument und die Übertragungskette (Effekte, Amps...) führt letztlich zu GAS und bringt einen nicht weiter - erst recht nicht als Anfänger.
Wenn man ein solides Instrument hat, dann liegen die klanglichen Begrenzungen erst einmal nicht dort.
Es könnte sogar frustrierend sein, das Instrument durch ein hochwertiges eines Vorbilds auszutauschen und trotzdem nicht "den Sound" zu haben...
Die technischen Fähigkeiten und die Tonbildung zu üben ist natürlich wichtig.
Eine Überbetonung der technischen Fähigkeiten wäre für mich Virtuosentum, eine Sache, die ich weder anstrebe noch als Hörer ertragen möchte.
Entsprechende Übungen wie z.B. Finger-Aerobic über irgendwelche geometrischen Finger-Folgen, die noch nicht einmal Skalen ergeben, können einem vielleicht motorisch weiterhelfen, schulen aber nicht den musikalischen Einsatz des Gelernten.
Klar ist: man braucht ein Mindestmaß an Exaktheit und Schnelligkeit im Anschlag, damit es gleichmäßig und definiert klingt - auch hier also ein Einfluss darauf, wie sich jemand "anhört".
Und bestimmte Stilistiken und Tempi sind ohne eine gute Technik nicht umsetzbar.
In den Bereich Spieltechnik gehören für mich auch die technischen Eigenheiten und die Tonbildung.
Persönlich habe ich (als jemand, der am Bass noch viel zu lernen hat!) am meisten Spaß daran, Fingersätze und Änderungen von Haltungs-Details für die linke und rechte Hand zu erproben und zu schauen, wie sich das klanglich und auf den Spielfluss auswirkt. (Auch solche Dinge wie: welchen Finger könnte ich hier noch nutzen, um einen Ton zu dämpfen/zu stoppen oder um einen Anker zu bilden).
Das ist glaube ich dann tatsächlich die Verbindung von "Fingern" und "Ton", aber für sich genommen halt auch kein Selbstzweck - nur etwas, das zu erforschen Spaß machen kann.
Teil der musikalischen "Signatur" oder Persönlichkeit eines Bassisten ist dann natürlich auch das zu Gehör gebrachte musikalische Material.
Das kann man nicht komplett vom Sound trennen (z.B. verzerrte Sounds funktionieren nur mit bestimmten Inhalten, bestimmte Genres verlangen nach einem bestimmten Klang, und umgekehrt haben bestimmte Klänge starke Genre-spezifische Assoziationen.)
Wir hören den Sound eines Bassisten immer nur in Verbindung mt den gespielten Inhalten.
Beim Üben wird man seinen eigenen Sound an die gespielten Inhalte anpassen, um sie optimal zur Geltung zu bringen.
In den Bereich "Inhalte" gehören für mich auch die Musiktheorie, die Auswahl bestimmter Skalen oder Voicings...
Auch hier kann man seine musikalische Signatur ausbilden - aber bei der Theorie und dem Üben, sie praktisch einzusetzen, gibt es natürlich auch eine Gefahr, sich zu verzetteln.
Insgesamt finde ich, dass die Sichtweise "Der Sound kommt aus den Fingern" für Lernende zielführender ist als die Sichtweise "Der Sound kommt vom Instrument", auch wenn an beidem etwas dran ist.
Man sollte seine Zeit nutzen, um das zu spielen, was man gerne spielen möchte, und dabei versuchen, so zu klingen, wie man es sich innerlich vorstellt.
Und dabei immer vieles ausprobieren, um neues zu entdecken, für sich zu bewerten und dem Ziel näher zu kommen.
Dann wird mit der Zeit wahrscheinlich auch etwas wie ein "eigener Sound" entstehen.
Für mich ist das Ziel aber lediglich, das klingende Ergebnis mit der inneren Vorstellung in Einklang zu bringen.
Wenn mir das gelingt, dann bin ich schon perfekt zufrieden.
Ob sich das dann wirklich neu und eigen anhört oder einfach nur "für mich gut" bzw. so, wie ich es wollte, das macht für mich dann nicht mehr so den Unterschied.
Auf der Gitarre habe ich sehr viel mehr Erfahrung als auf dem Bass, und dort hat es mir viel gebracht, auf klanglich extrem nüchternen Instrumenten (akustischen Archtops) zu üben.
So eine Archtop hört sich naiv gespielt nach gar nichts an. Es liegt alles beim Spieler. Man passt seine Spielweise an und lernt allmählich, sie eben doch "klingen" zu lassen.
Und das kann man dann quasi jedem Instrument "überstülpen".
Möglichweise funktioniert das auch beim Bass. Jedenfalls bevorzuge ich auch hier beim Üben ein nüchternen, in keiner Weise beindruckenden Grundklang.
Ich denke das fördert es, den Klang selbst aktiv zu gestalten.
Wenn man ehrlich ist, kann ein halbwegs guter Gitarrist zumindest einfache Bässe auf Anhieb spielen. Mache ich jede Woche im Unterricht mit diversen Gitarren-Schülern. Klappt sogar i.d.R. in Schülerbands auf Anhieb, wenn zwei Gitten und kein Basser da sind.
...kann ich aber nicht...
...schade...
Da mußt du doch mit 3,3 Promille einen Gig absolvieren 
