Kontrabass - Kondition wiederaufbauen/erhalten

[Altair]

Guten Abend mit die Runde,
in letzter Zeit habe ich u.a. bei mehreren Jazz-Sessions festgestellt, dass mir einiges an Kontition abhanden gekommen ist: Vielleicht ist es ganz schlicht eine Altersfrage (die 50 habe ich schon vor längerem überschritten), dass jetzt einfach mehr Training erforderlich ist, um den Ist-Zustand zu erhalten.
Bei einfachen Nummern wie beispielsweise Cantaloupe Island habe ich vor allem mit Quintgriffen in tiefer Lage wie F-C Probleme; nach einigen Durchläufen habe ich das Gefühl, dass die Kraft der linken Hand nicht ausreicht, um solche Licks beliebig lang weiterspielen zu können und muss das Register wechseln oder bei Proben aufhören und die Hand entspannen. Das gilt auch für viele Bossas u.Ä., die ihren Grundton in den ersten Lagen auf der E-Saite haben. Beim Walking, auch auf ungeliebten Tönen wie dem As auf der E-Saite, habe ich keine Probleme.
Meine Übe-Intervalle auf dem KB sind in letzter Zeit eher groß, bei vielen musikalischen Projekten, bei denen die Begleitung vor allem aus Quinten und Quarten mit vielen Leersaiten besteht, habe ich auch meine Technik ziemlich schleifen lassen: Vor allem sackt der Ellenbogen nach unten und das Handgelenk ist abgewinkelt. Gut, ich habe es gemerkt und kann das korrigieren. Die konditionsproblematik mit den Quinten kenne ich aus früheren Zeiten, in denen ich um einiges besser im Training war: Das fand ich damals auch anstrengend.
Mein Setup hat sich nicht wesentlich geändert, die Saitenhöhe am Griffbrettende beträgt um 10mm: Der Steg ist nach einenhalb Jahrzehnten immer noch der Gleiche (das Instrument war gerade mehrere Monate beim Geigenbauer des Vertrauens, die Decke musste geöffnet werden, um einige Risse zu reparieren und der Steg war OK), wurde mal einen Milimeter tiefer gelegt und ist jetzt durch einen neuen Stimmstock genau diesen Milimeter höher.
Saiten: Früher Obligatos und The Jazzer, jetzt Olivs D-G und Evahs E-A.
Meine Haltung habe ich von einem befreundeten Profi überprüfen lassen, der nichts bemerkt hat, was ich nicht schon oben beschrieben hätte.
Deshalb halte ich das Ganze für ein sportliches Konditionsproblem, vielleicht zu hoher Krafteinsatz. Saiten streicheln über Ampverstärkung finde ich klanglich unschön.
Kennt ihr das auch und wenn ja, wie geht ihr damit um?

 

[Lohmannski]

Ich spiele sehr gern einen 1/2 Kontrabass - und dazu die Saiten noch n Ganzton tiefer! Und dann noch Gut a likes...weicher und bequemer gehts nicht! Gerade wenns verstärkt ist, wäre das evtl ne Alternative?!

Aber dranbleiben ist eh geboten, also Kondition. Im Alter wird das eben wichtiger, schätze ich mal.

 

[LaFaro]

Das "Phänomen" kenne ich auch, wenn ich aus welchen Gründen auch immer längere Zeit nicht üben konnte.... ich teile deine Vermutung mit dem Konditionsproblem, finde aber auch den Hinweis auf einen zu hohen Kraftaufwand wichtig... ich denke, dass das ein sich gegenseitig bedingendes "Wechselspiel" von Kondition und Reduktion des Kraftaufwands ist, um beides wieder zu optimieren und aufeinander abzustimmen...ich greife an der Stelle immer wieder auf das "übliche" zurück... lange Töne mit Bogen spielen, den Simandl wieder rausholen oder die Daily Exercises von David Heyes, die Warm-Ups von Susan P. Hagen oder auch die ersten Seiten des Double Bass Notebook von Orin O'Brien und dann die Kondition und das Gefühl langsam wieder aufbauen....d.h. ich mache am Anfang immer nur kurze Übesequenzen und davon lieber mehrere (oder viele, wenn es geht) hintereinander mit längeren Pausen, sobald der Arm sich "gestresst" anfühlt.. wie schreibt David Heyes in seiner Einleitung:" Try not to put strain on the left hand and build technique carefully, consistently and gradually"...

 

[Altair]

Ein zweiter KB kommt nicht in Frage, einmal aus finanziellen Gründen, zum anderen bin ich mit meinem Instrument, das mich seit über 40 Jahren begleitet, total glücklich. Gerade nach der Generalüberholung. Wenn's wirklich brennt, hol ich den Fender Jazz Bass.
Auf die Idee, jetzt vor allem wieder den Bogen in die Hand zu nehmen, wäre ich nicht an erster Stelle gekommen: Ich hatte mir bisher Walking Bass-Lines von Ray Brown, Ron Carter etc. vorgenommen und diese auf Geschwindigkeit und Kondition (= viele Wiederholungen) "trainiert". Fertige Linien, weil ich dabei nicht nachdenken, sondern Kraft aufwenden muss.
Aber ich schaue mir die Noten gerne mal an, manche kenne ich zumindest vom Namen her. Den Simandl habe ich sowieso, in den frühen 80ern gab es wenig Anderes (= kein Kalauer à la "wir hatten ja nix damals"), das Realbook und Adelhard Roidinger, bei dessen Bass-Schulen ich immer noch nicht kapiert habe, was die Übungen eigentlich bezwecken sollen.

 

[LaFaro]

Der Vorteil beim Bogen ist nach meinem Eindruck/Gefühl, dass man viel mehr "Rückmeldung" darüber bekommt, was bei der linken Hand passiert oder auch nicht passiert... und gerade bei langen Tönen kann man sich ganz gut an den Punkt des minimal nötigen Kraftaufwands herantasten...jedenfalls ist das bei mir so..
Edith sagt: Ich habe gestern ganz vergessen, die schon mal angesprochenen Übungen von Henk Haverhoek zu erwähnen:

Henk haverhoek's Bass Exercises

Henk Haverhoek's exercises for bass

www.henkhaverhoek.nl

Da gibt es eine Seite mit Übungen für die linke Hand:

Henk haverhoek's Bass Exercises

Henk Haverhoek's exercises for bass

www.henkhaverhoek.nl

Aber auch die Übungen für die "Brot-und-Butter"-Lagen "Through all keys in Half Position and First Position" haben einen guten Trainingseffekt, wie ich finde... jedenfalls merkt man dabei ziemlich gut, wann die Kondition nachlässt.. und für die Intonation ist es auch nicht schlecht...

 

[claudio]

@Altair hast Du eine höhenverstellbaren Steg? Falls ja, kannst Du den ja ein wenig runterdrehen bis die Kondition besser wird.

 

[jaco1972]

hast Du eine höhenverstellbaren Steg? Falls ja, kannst Du den ja ein wenig runterdrehen bis die Kondition besser wird.

Ich bin zwar fast 20 Jahre vom K-Bass weg aber das sieht mir hier nach einer grundlegenden Setup Frage aus.
Wie oft und mit welchem Radius wurde dein Griffbrett abgerichtet?
Ich würde danach ersteinmal einen passenden Steg, gerne auch verstellbar anfertigen lassen.
Hol dir mal Rat bei Heiner Windelband der kennt sich mit einem Setup bestens aus.

 

[Altair]

Hi Claudio,
nein, habe ich nicht. Ist aber auch nicht nötig. Bis die Kondition besser wird, kann ich ja einfach die Lage wechseln und für die meisten Sachen habe ich kein Konditions-Problem. Nur bei den tiefen Quintgeschichten im Zusammenhang mit den Tönen F bis As auf der E-Saite. Und dass das Spielen kräftemäßig herausfordernder geworden ist.
Cantaloupe Island war auch eine Ausnahme und kommt im derzeitigen Repertoire nicht vor. Mir fiel nur auf, dass ich das früher schon anstrengend fand und jetzt mit dieser simplen Nummer konditionsmäßig an die Grenzen komme. Einen Blues in F, Bb oder ähnlich kann ich 45 Minuten ohne Probleme spielen. Und wenn der KB verstärkt wird und ich nicht reinlangen muss, wie ich es sonst meistens und auch gerne tue, gehen auch die Quintgeschichten. Vermutlich eine reine Kraftsache, für die ich Muckibuden-Tipps brauche. Früher war auch Klavierspielen ein tolles Training, besonders der langweilige Hanon. Da merke ich jetzt aber auch schnell die Handgelenke.
Meine Intonation ist mit den Jahren besser geworden, die Kraft weniger, da werde ich jetzt mal LaFaros Bogenspiel-Tipps anwenden.

 

[claudio]

Ciao @Altair

ich habe auf drei meiner vier Uprights auch nix Höhenverstellbares. Von der Klassik her kommend, spiele ich eine eher hohe Saitenlage. Von daher kann ich es Dir nachfühlen, jeweils nach dem Urlaub muss ich auch immer leiden, sowohl an der Kondition als auch an der Intonation.

Gruss
claudio

 

[Altair]

@jaco1972: Bisher mochte ich keine allzu tiefen Saitenlagen auf meinem Bass, da ging klanglich zuviel verloren. Ende des Jahres gehe ich nochmal zur Nachkontrolle zum Geigen- und Bassbauer. Zu dem habe ich absolutes Vertrauen und lasse das Setup überprüfen. Eventuell tausche ich mal die Saiten gegen Galli BSN900 Strings. Die hatte ich zwischendurch mal kurz drauf und fand die angenehm und gutklingend, etwas weniger Spannung und Lautstärke.
Aber vielen Dank für die Tipps und herzliche Grüße,
Peter

 

[LaFaro]

Mir ist eingefallen, dass ich eine "Fitness-Übung" für Kontrabass ganz vergessen habe... die ist mir echt aus dem Blick geraten, aber nun habe ich sie wieder "hervorgeholt"..

https://www.bassic.de/threads/was-uebt-ihr-gerade.14805206/post-17245966

 

[Altair]

Guter Hinweis! Übe ich auch seit einiger Zeit.
Jetzt, wo ich wieder viel arco spiele, merke ich auch, dass meine Intonation verbesserungswürdig ist. Beim walken über changes fällt es ja nicht so auf.
Und weil das Thema Intonation ein ziemlich weites Feld ist, enge ich es gleich mal ein: Ich habe mit Simandls 30 Etüden begonnen und freue mich schon darauf, die Klavierbegleitung nutzen zu können. Leider sind die Tempi - zumindest für mich - recht hoch, d.h. ich muss noch einige Zeit üben, um beim Zieltempo anzukommen und meine Intonation anhand der Playalongs überprüfen zu können.
Kennt ihr ganz konkrete Notenbücher, lieber einfach als schwer, mit entsprechender Begleitung, die ihr weiter empfehlen könnt?

 

[crocoolli]

Was ich dir wirklich ans Herz legen muss, das was mir seit 2003 hilft,
Ist Krafttraining.
Wenn dein Körper ganzheitlich gestärkt ist, ist das Spielen nicht mehr so anstrengend.
Ich bin 55 und spiele noch Rockabilly (ohne Akrobatik )
Das haut konditionell ganz schön rein.

Ich muss dir da unbedingt
Kieser Training empfehlen.
Da gibt es sogar spezielle Geräte für die Handmuskulatur.
Echt abgefahren, wie sich die Körperspannung erhöht.
Das hat aus mir einen neuen Menschen gemacht.

 

[LaFaro]

Guter Hinweis! Übe ich auch seit einiger Zeit.
Jetzt, wo ich wieder viel arco spiele, merke ich auch, dass meine Intonation verbesserungswürdig ist. Beim walken über changes fällt es ja nicht so auf.
Und weil das Thema Intonation ein ziemlich weites Feld ist, enge ich es gleich mal ein: Ich habe mit Simandls 30 Etüden begonnen und freue mich schon darauf, die Klavierbegleitung nutzen zu können. Leider sind die Tempi - zumindest für mich - recht hoch, d.h. ich muss noch einige Zeit üben, um beim Zieltempo anzukommen und meine Intonation anhand der Playalongs überprüfen zu können.
Kennt ihr ganz konkrete Notenbücher, lieber einfach als schwer, mit entsprechender Begleitung, die ihr weiter empfehlen könnt?

Das wäre noch mal eine Perspektive, die Klavierbegleitungen für den Simandl in Musescore einzugeben und dann das Temp variieren zu können.. leider habe ich die Noten für die Klavierbegleitung nicht.....
aber vielleicht helfen dir ja die Youtube-Videos für den Anfang weiter.. da kann man die Geschwindigkeit ja auch variieren.. auch wenn die Qualität nicht besonders toll ist..

https://www.youtube.com/user/hitoshitanabe/videos

ansonsten.. die Notenbücher/Etüden, die ich so habe, sind ohne Begleitung.. jedenfalls soweit ich das gerade im Blick habe..

 

[Altair]

Es gibt noch eine einfachere Lösung, wahrscheinlich ist der dicke Kopf, den ich gerade erkältungsbedingt habe, Schuld daran, dass es mir erst viel später einfiel:
Die Begleittracks zu Simandl können als mp3 aus dem Internet heruntergeladen werden. Und mit Transcribe! kann ich die Geschwindigkeit leicht anpassen.
@ crocoolli: Kiesertraining hatte ich auch schon im Blick, die nahegelegendste Möglichkeit ist aber 60 Autominuten von mir. Mache seit einiger Zeit Tai Chi, das hat ja auch einen ganzheitlichen Ansatz.

 

[crystalgreen]

(Eure Tipps sind auch für E-Bassisten lesenswert, danke!)