Der Begriff „Charaktersound“ ist meiner Meinung nach ohnehin etwas überhöht. Natürlich ist es so, dass ein Bass von einem bestimmten Grundsound geprägt ist. Das zeigt sich meist schon trocken angespielt. Ich finde auch, dass Warwicks - insbesondere Thumb und Corvette, und besonders passiv - schön hölzern klingen und dem Slogan „Sound Of Wood“ ganz gut gerecht werden. Ich habe selbst ein paar Warwicks besessen (Fortress One, Corvette und Corvette FNA Jazzman) und kann dies bestätigen. So richtig warm geworden bin ich mit ihnen aber nicht. Die Bässe polarisieren halt, was wiederum ein klares Indiz dafür sein dürfte, dass sie durchaus auch eigenständigen Sound mit sich bringen.
Aber grundsätzlich: während einige Bässe tendenziell eher bedeckter und wärmer, mal runder, wärmer klingen, präsentieren sich andere z.B. drahtiger, kühler oder dynamischer oder bieten einige Brillianzschmatzer und etwas Lispeln bei sattem Fundament wie etwa der Stingray. Eigenständigkeit gilt natürlich auch für Preci, Jazz, Höfner Violin Bass und viele mehr. Mitunter kann sich auch der Bass – der alleine super klingt – im Bandkontext gar nicht immer so sehr durchsetzen und vermeintliche Unterschiede gehen im Mix weitgehend unter. Der Sound kommt aber bekanntermaßen nicht nur vom Bass selbst, sondern hängt von zig anderen Parametern ab, ob nun Spieltechnik und Anschlag, Preamp, Färbung durch verwendeten Amp, Direktheit und Punch durch die verwendeten Boxen etc. Ob man tatsächlich immer den jeweiligen Bass heraushört, mag ich deshalb eh noch bezweifeln. Unter der Verwendung einer immer gleichen Amplifikation, EQ auf „flat“ und demselben Spieler mag das zwar noch zutreffen, dieser Direktvergleich bietet sich jedoch bei Konzerten und Musik aus der Dose in der Regel eh nicht.
Und sicherlich ist es auch durchaus so gewollt, dass manche Bässe etwas unspektakulär und glatt klingen, weil sie dies immerhin flexibel macht. Den Eindruck hatte ich zum Beispiel beim Yamaha TRB1004J, den ich etwa ein Jahr mein Eigen nennen konnte. Ohne Zweifel ein toller Bass, aber für mich im Sound ohne wahre Ecken und Kanten, die mir persönlich wichtig gewesen wären.
Über den Sound hinaus polarisieren Bässe aber auch unweigerlich mit Optik, Reputation/Image sowie durch die Verwendung innerhalb der favorisierten Musikszene und durch bekannte Bassisten. Von solch emotionaler Prägung wird sich wohl kaum jemand komplett lossagen können. Insgesamt ist es mehr als nur der Sound, der über Mögen, Nichtmögen usw. entscheidet. Eigentlich geht es doch eh immer um „mehr“. Manch einer braucht den Bass nicht einmal anspielen, weil bei ihnen z.B. Edelbass-Hochglanzoptik direkt ausscheidet. Der andere kann sich wiederum einen abgerockten Preci überhaupt nicht vorstellen.
Um SEINEN Bass zu finden, bieten deutsche Bassschmieden eine Menge Potenzial und müssen sich auch meines Erachtens in Preis-Leistungs-Aspekten hinter den US-Marken, die sich auf einem etablierten Image einigermaßen ausruhen, keinesfalls verstecken. Deutsche (oder allgemein europäische Schmieden) sind noch relativ jung und zeigen sich dabei recht innovativ. Sie sind nicht nur mit dem bloßen Kopieren von US-Vorbildern beschäftigt, denn dann wäre es halt auch nur eine Kopie mehr, was dem US-Vorbild wieder Schulterklopfen beschert als das angebliche Maß aller Dinge. Einige Marken sind durchaus auch in Übersee bekannt, nicht zu vergessen auch Firmen wie Glockenklang, Noll, Delano, Bassculture, Häussel und viele mehr, die ihren Teil dazu beitragen. Auch Maruszczyk, Mensinger, Sandberg, Clover, Human Base und andere haben dort durchaus guten Ruf ohne gleich als abgehobene Edelschmiede zu gelten.
Ich vermute mal, dass wir wohl etwas zu selbstkritisch sind und den deutschen und europäischen Bassschmieden ruhig mehr zutrauen sollten.
Ich persönlich bin aber nach knapp 20 Jahren - und Ausflügen über Yamaha, Warwick, Fernandes, Tokai, Fender, Esh, G&L, Maruszczyk und leihweise über Sandberg und Status - zum Ibanez ATK zurückgekehrt. Der ATK war mein zweiter Bass im Jahre 1996 oder 1997 nach einem Tokai Hard Puncher (Preci-Klon) und für mich so etwas wie ein Aha-Erlebnis. So kann also ein Bass klingen! Der ATK ergänzt nun meinen Maruszczyk Elwood, hat für mich Charakter und bringt mir das gewisse „Rundum-Wohlfühl-Gefühl“, ohne dass er ein elitäres Images pflegt oder man sich mit ihm brüsten kann - und er gefällt mir unabhängig davon, wo er gebaut wurde. Kein Poser-Bass, aber ein Arbeitstier, das mir einfach super in der Hand liegt. Dennoch behaupte ich nicht, dass man ihn grundsätzlich heraushören kann. Es gibt andere Bässe, die zumindest ähnlich klingen und im Allgemeinen dürfte es je nach Konstruktion auch zu viele Schnittmengen unter den vielen Bass-Sounds geben, als dass sich ein Sound ganz eindeutig auf einen bestimmten Bass münzen ließe. Meine bescheidene Meinung…
