Ich bin nach wie vor der felsenfesten Überzeugung, dass es dieses Konstrukt "cancel culture" nicht gibt. Man darf immer alles sagen. Aber wenn es Bullshit ist oder widerlegbar oder sich die Welt einfach weiter bewegt hat (aka für bestimmte Begriffe, Gedanken, Formulierungen mehr sensibilisiert hat), dann gibt es Gegenwind. Eine Debatte entsteht, wo beide Seiten ihre Begründung darlegen können. Diese Debatte wird dann in der Regel von den Betroffenen mit den Worten "cancel culture" abgewürgt.
Correctness versus Hearness
- Ersteller Mad Jazz Morales
- Erstellt am
Ich bin nach wie vor der felsenfesten Überzeugung, dass es dieses Konstrukt "cancel culture" nicht gibt. Man darf immer alles sagen. Aber wenn es Bullshit ist oder widerlegbar oder sich die Welt einfach weiter bewegt hat (aka für bestimmte Begriffe, Gedanken, Formulierungen mehr sensibilisiert hat), dann gibt es Gegenwind. Eine Debatte entsteht, wo beide Seiten ihre Begründung darlegen können. Diese Debatte wird dann in der Regel von den Betroffenen mit den Worten "cancel culture" abgewürgt.
Ich bin da ehrlich gesagt ziemlich schmerzbefreit.
Ja, finde ich auch immer wieder drollig.
Man würgt ab weil man sich abgewürgt wähnt. Man will Recht haben aber wenn es mal einen anderen Standpunkt gibt wird gezetert…mit dem Argument man dürfe keinen eigenen Standpunkt mehr haben
.Der gecancelt Geglaubte bekommt halt nicht mehr so viel Applaus und beschwert sich dann weinerlich über Gegenwind. Dieter Nuhr Style
.
Ochsenblut
Well-Known Member
Da halte ich für eine sehr valide Definition für Cancel Culture. Aber man muss sich zur Diskussion solch interessanter Themen unbedingt live und gut moderiert treffen.
standbassgeiger
Well-Known Member
- Beiträge
- 253
- Bassix
- ß4.969
definiere: normaler gebrauch. wer legt fest, was die norm ist bzw. zu sein hat? die mehrheit? welche genau? das, was dir da - nachvollziehbar! - auf den senkel geht, ist m.e. genau das: sukzessive änderung aus dem mehr oder weniger normalen gebrauch. bei uns alten weißen männern wirkt das immer ein wenig wie eine gefühlte entmachtung oder so. das liegt daran, dass die jüngeren vieles anders sehen. man nennt es, glaube ich, entwicklung.
Da gehe ich zum Teil mit. Ich würde aber ergänzen: Wenn es diesen Beißreflex ob fehlender Argumente oder den Unwillen, diese Argumente auszutauschen (was @Mudskipper mit "Man würgt ab weil man sich abgewürgt wähnt. Man will Recht haben aber wenn es mal einen anderen Standpunkt gibt wird gezetert" sehr passend umschreibt), weniger gebe, dann bräuchte es keine gut moderierte Live-Umgebung. Soll heißen: wenn die Debattenkultur weniger aufgeheizt wäre, könnte dies auch im Internet als Debattenraum funktionieren. Das ist aber ein großes "wenn", dessen bin ich mir leider sehr bewusst.
whitewater
Rückfällig nach 25 Jahren
- Beiträge
- 9.595
- Bassix
- ß300.072
Das wiederum halte ich für eine falsche Wahrnehmung. Konvention ergibt sich nie einfach aus dem Gebrauch. Es geht immer um dazugehören oder eben nicht. Bloss weil Dir gewisse Leute nicht in den Kram passen, zu behaupten, die wollten dir was aufoktroiyeren (?!?!?) aber deas was Deine Gang labert sei der natürliche Gang der Geschichte ist halt die übliche rethorische Schwalbe. Oder Framing. Oder watte wills. woll?
Das hat noch nie im Internet funktioniert, siehe Bassic Off Topics von 2006, war da kein Deut besser.
So bald das Schild Distanz durch das Web vorhanden ist, laufen Viele mit ner offenen Hose rum.
Das stimmt wohl ... Ich bin seit 2010 in diesem Haus des Basswahnsinns und da gab es immer mal wieder Episoden des heftigsten Hauen und Stechens.
Slidemaster Dee
Des Rutschmeisters Reise.
- Beiträge
- 7.670
- Bassix
- ß242.678
Im Netz laufen solche Diskussionen halt immer darauf hinaus, dass die Hardliner beider Seiten alles wegpoltern und sich dann innerhalb ihrer Randpositionen gegenseitig auf die virtuellen Schultern klopfen, während die, die sich differenziert austauschen möchten, schnell genervt abhauen, weil sie häufig sofort in irgendeine Schublade gesteckt werden.
Im Reallife treffen diese Extreme doch meist gar nicht aufeinander. Ich hatte letztens bei nem Fachtag nen Anti-Bias-Workshop im Nebenraum (geleitet von einer Schwarzen Kollegin). Das war richtig gut, glaub ich, mit sehr konstruktivem Austausch - und Leute, die da waren, fanden das wirklich anregend und kamen nachdenklich raus. Da gabs aber bei den Teilnehmern schon eine gewisse Grundidee zu dem Thema. Da geht ja niemand hin, der findet, dass das Wort „Negerkuss“ ein bewahrenswertes Kulturgut der deutschen Sprache ist (außer, er will bewusst provozieren), und dass deutsche weiße Männer entscheiden könnten, dass das ja alles nicht so schlimm und übertrieben ist.
Andersrum setz ich mich ja in der Dorfkneipe auch nicht an den AfD-Stammtisch, wo gerade abgefeiert wird, dass Herr Höcke den Begriff „Zigeunerschnitzel“ wieder etablieren will (außer, ich will bewusst provozieren).
Das Netz spült halt die Extrempositionen an die Oberfläche. Ich wette, spätestens in 5 Seiten haben sich die meisten genervt aus diesem Thread verabschiedet, und die üblichen Verdächtigen finden sich noch ein bisschen geil, und dann war’s das.
Oh, besonders der letzte Satz ist super, vielen Dank dafür!Ich habe geschrieben, dass ich das ziemlich daneben fand, wie @Cadfael formuliert hat. Die folgende Diskussion kann man sich sparen. "Man wird doch noch Negerkuss sagen dürfen" hilft da auch nicht weiter. Es ist halt ein Missverständnis, dass sich einfach der Sprachgebrauch geändert habe. Die Einstellung zu einem alltäglichen Rassismus hat sich geändert, zumindest meine.
Mal zurück zum Thema, das ist tatsächlich sehr schwierig. Ein für mich prominentes Beispiel ist Iced Earth, die habe ich unglaublich gerne gehört, war im zarten Alter meine Einstiegsdroge in den Heavy Metal. Mit 12? 13? Weiß nicht mehr. Aber ich weiß noch wie ich damals, als man noch CDs gehört hat, in strömenden Regen zum Media Markt gefahren bin um mir die zu kaufen. Haben mich durch viele gute und schlechte Gefühle in der Pubertät begleitet. Und danach auch (zumindest die älteren Alben). Also ein sehr emotional aufgeladenes Thema. Und dann nimmt dieser Depp von Frontmann dann doch tatsächlich am Sturm auf das Kapitol teil. Das hat bei mir schon ein bisschen das Herz gebrochen. Seit dem habe ich es nicht mehr gehört und will es glaube ich in nächster Zeit auch nicht mehr hören.
Ich trenne da schon. Manches muss man einfach nicht unterstützen, auch wenn die Kunst gut ist. Und wenn ich weiß, dass der Bäcker ein Nazi ist würde ich da nicht mehr kaufen, um das Beispiel wieder aufzugreifen. Wenn man es denn weiß, ist ja auch nicht immer alles offensichtlich...
G
Gast27578
Guest
Danke lieber MadJazz, da sprichst Du einen Teil des Problems recht deutlich an. Ich sah vor wenigen Tagen auf FUNK einen Beitrag einer dunkelhäutigen Dame, die darauf bestand, dass man sie doch bitte - insofern überhaupt thematisch notwendig - "schwarz" nennen soll. Und das steh ich nun mit meiner Erziehung und kann "Schwarze" nicht "schwarz" nennen, weil das eben auch schon mal "falsch" war.
Ich muss heute wirklich niemanden mehr N-Wort nennen. Ich respektiere, dass das als zutiefst beleidigend empfunden wird. Ich möchte niemanden pauschal beleidigen. Aber das alle drei Jahre für jede Ethnie eine neue Bezeichnung auftaucht, weil die alte mal wieder zur Beleidigung geworden ist oder von Übervorsichtigen als "unpassend" klassifiziert wurde, macht die Diskussion überflüssig komplex.
Ich möchte von Spaniern und Türken - und - und - und - im Übrigen nicht mehr als Allman/Allemanne bezeichnet werden. Ich bin reinrassiger Preusse/Pole/Schlesier und habe mit dem Volksstamm der Allemannen nichts gemein. Hinzu kommt, dass ich diese Bezeichnung als verletzend empfinde, weil es ja gerade Menschen aus dem Südwesten der Republik sind, die grosse Teile meiner Heimat Berlin besetzt halten.
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Slidemaster Dee
Des Rutschmeisters Reise.
- Beiträge
- 7.670
- Bassix
- ß242.678
So richtig schwierig find ich’s (für mich) gar nicht. Ich kann nicht Künstler in Kunst trennen. Ich kann auch nicht mich von meinen Texten und meiner Musik trennen.
Wenn ich dann Dinge erfahre über Künstler, hat das Einfluss auf meine Empfindungen zu deren Werk. Meine heißgeliebte Lostprophets-Scheibe hat seit zig Jahren keinen CD-Player mehr von innen gesehen, und ich kann mir keinen Michael-Jackson-Song anhören, ohne ein blödes Gefühl zu haben, was die Songs dann in ihrer Wirkung dann halt auch irgendwie killt (okay, das ist für mich persönlich jetzt kein Verlust).
Trotzdem kann ich diese Dinge natürlich als gut gemachte Musik honorieren, oder mir ohne rot zu werden ein Video angucken, wie Jonathan Moffet „Smooth Criminal“ trommelt. Dann geht’s aber um den technischen Aspekt, nicht um den ästhetischen.
Ah. Interessante Meinung.
Und mir geht **"aufoktroyieren" auf den Senkel.
RookieamBass
Well-Known Member
- Beiträge
- 398
- Bassix
- ß7.736
Echt jetzt? Habt Ihr Berliner ein so geringes Selbstbewusstsein, dass Ihr ein Problem mit Zugereisten habt. Wo bleibt denn da die Berliner Weltoffenheit und Toleranz?
Solche Sprüche kenne ich eigentlich nur aus der tiefsten Provinz.
whitewater
Rückfällig nach 25 Jahren
- Beiträge
- 9.595
- Bassix
- ß300.072
Der echte Berliner war schon 73 eine unterdrückte MinderheitEcht jetzt? Habt Ihr Berliner ein so geringes Selbstbewusstsein, dass Ihr ein Problem mit Zugereisten habt. Wo bleibt denn da die Berliner Weltoffenheit und Toleranz?
Solche Sprüche kenne ich eigentlich nur aus der tiefsten Provinz.
mir geht das gendern auf den senkel, da bin ich bei @Zinfandel . und im musikalischen bereich einer hellhäutigen musikerin den auftritt abzusagen, weil sie dreadlockshat und dies eine kulturelle aneignung sei, ist das okay? https://www.faz.net/aktuell/feuille...n-menschen-kulturelle-aneignung-17906234.html
übertreiben wir da nicht ein bisschen?
Ich denke schon, dass sich Sprache durch Gebrauch ändert und weiterentwickelt. Das ist der natürliche Gang der Dinge. Unsere Sprache heute ist eine ganz andere als noch vor 100 Jahren. Bei dem Gendersprech auf NDR Info usw. ist das aber Resultat einer politisch motivierten Entscheidung, nicht ein Annehmen einer sprachlichen Entwicklung. Das gefällt mir (!) eben nicht. Wenn andere das toll finden, oder es ihnen einfach egal ist: gut.
Und was Du mit "meine Gang" meinst, erschließt sich mir nicht. Ich bin in vielen unterschiedlichen sozialen Umfeldern unterwegs, in denen auch unterschiedlich kommuniziert wird.
G
Gast27578
Guest
Also um ehrlich zu sein, bisher beschützte mich glücklicherweise mein Geschmack. Ich fand Michael Jackson schon in den 80ern Scheisse, ich habe regelmässig zu Xavier und R.Kelly erbrochen und hatte auch noch nie das Bedürfnis nach Wagner.
Aber trotzdem hat MadJazz ein Problem angesprochen, dass mir viel zu wenig diskutiert wird. Bin ich verpflichtet, bei Freiwild Probe zu hören, bevor ich sie als rechte Band betitele oder ab welcher Quellenqualität darf ich blind glauben?
Ist nur Musik von Pädos und Nazis Scheisse? Weil welcher große Musiker war schon wirklich gut zu/für seine PartnerIn? Was passiert, wenn "mein Star" seinen Müll nicht trennt? Obwohl mir das bisher immer alles recht leicht fiel, ist es moralisch objektiv betrachtet ein Debakel. Darf ich einen neuen Künstler gut finden, bevor mir seine Einstellung zur Atomkraft klar ist?
Ich wollte immer - hatte nie den Mumm dazu (und zuletzt auch die falschen Bandmates) auf der Bühne beim Gig alle AfD Wähler öffentlich aufzufordern zu gehen. Muss ich mich selbst wegen mangelnder Haltung canceln?
Auch wenn ich manches hier humoristisch übertrieben schreibe, sind das alles Fragen die ich im Grundsatz für wichtig erachte.
Wenn ich aber nur sehr kulturell "weiße" Dinge tun soll, dann bleibt mir ja nicht viel außer in fremde Länder einzumarschieren. Das wäre schlecht. Da eigne ich mir lieber ein bisschen fremde Kultur an.
Aber trotzdem hat MadJazz ein Problem angesprochen, dass mir viel zu wenig diskutiert wird. Bin ich verpflichtet, bei Freiwild Probe zu hören, bevor ich sie als rechte Band betitele oder ab welcher Quellenqualität darf ich blind glauben?
Ist nur Musik von Pädos und Nazis Scheisse? Weil welcher große Musiker war schon wirklich gut zu/für seine PartnerIn? Was passiert, wenn "mein Star" seinen Müll nicht trennt? Obwohl mir das bisher immer alles recht leicht fiel, ist es moralisch objektiv betrachtet ein Debakel. Darf ich einen neuen Künstler gut finden, bevor mir seine Einstellung zur Atomkraft klar ist?
Ich wollte immer - hatte nie den Mumm dazu (und zuletzt auch die falschen Bandmates) auf der Bühne beim Gig alle AfD Wähler öffentlich aufzufordern zu gehen. Muss ich mich selbst wegen mangelnder Haltung canceln?
Auch wenn ich manches hier humoristisch übertrieben schreibe, sind das alles Fragen die ich im Grundsatz für wichtig erachte.
Das ist mMn der schlimmste Schwachsinn seit Erfindung des Brokkoli. Was heißt das denn fortgeführt? Ich darf keinen Blues hören, weil ich nie als Sklave auf dem Feld war? Ich darf nie Sushi essen, weil ich nie rassistisch als Asiate beschimpft wurde? Ich darf keinen Sonnenbrand bekommen, weil ich es nie erfahren haben, wie es ist von Weißen in ein Reservat gepfercht zu werden?
Wenn ich aber nur sehr kulturell "weiße" Dinge tun soll, dann bleibt mir ja nicht viel außer in fremde Länder einzumarschieren. Das wäre schlecht. Da eigne ich mir lieber ein bisschen fremde Kultur an.
Ja definitiv!
Wobei ja grade so Sachen wie Dreadlocks eine doch etwas kritische Sache ist. Man sollte einfach nicht jeden Scheiss als modisch ansehen. Grade Dreadlocks sind eigentlich eine sehr kulturelle und religiöse Sache. Und wenn speziell Frauen Dreadlocks haben, muss ich immer etwas schmunzeln... weil meistens wird es dann mit "easy Living" und "Freiheit" in Verbindung gebracht. Was es aber eigentlich überhaupt nicht ist... etwas Frauenfeindlicheres und Schwulenfeindlicheres als Rastafaris gibt es fast nicht... da ist aus meiner Sicht bis auf den Cannabis Konsum überhaupt garnichts easy Living!