Verschiedene Stilrichtungen - Frage.

[triona]

Interessante Fragestellung, die übrigens nicht nur Bassisten betrifft. Das erinnert mich an ein kleines und überraschendes Erlebnis, das ich erst vor kurzer Zeit hatte.

Ich nahm mit meiner Mundharmonika an einer Session teil. Ich wollte eine Improvisation nach dem Schema eines "typischen" Ragtime ausprobieren. Diesen Wunsch und die beabsichtigte Tonart habe ich zum Beginn dem Pianisten und dem Gitarristen mitgeteilt. Nachdem der Pianist - es handelte sich um einen erfahrenen und renommierten Jazzpianisten - nach den ersten 2, 3 Takten nicht losgehämmert hatte, wie ich es erwartete, hab ich mal angehoben, kräftig in meine Hupe rein zu blasen, um mal was vor zu geben. Entgegen meiner Erwartung stimmte dann der Gitarrist ganz toll ein und groovte richtig schön dazu, was uns beiden Steigerungmöglichkeiten eröffnete. Der Pianist begleitete weiterhin verhalten bis zum Ende und verzichtete - im Gegensatz zu den anderen Darbietungen des Abends - sogar auf ein Solo, als ich mich etwas zurück nahm und ihm ein Zeichen dazu gab.

Eigentlich hatte ich ja angenommen, daß ein erfahrener Jazzpianist das Grundschema eines Ragtimes aus dem Handgelenk klimpern würde. Aber hatte er anscheinend noch nie gespielt. Es ist bei den Zuhörern trotzdem gut angekommen. Und daß der Pianist mal kein Solo gespielt hatte, ist den meisten wahrscheinlich gar nicht aufgefallen. War ja auch ein Mundharmonikafestival.


liebe grüße
triona

 

[J.B.Ecker]

Sorry, aber das ist genauso wie wenn Du nach einer Tabelle für regionale Küchen fragen würdest... natürlich gibt es unterschiedliche Gewürze, Zutaten, und Zubereitungsarten... nur versetzt Dich so eine Tabelle bestimmt nicht in die Lage, ein authentisches Cajun-Gericht zuzubereiten...

...wahre Worte!!!

 

[Bassralf]

Interessantes Thema hier:
Irgendwo wurde gesagt: Wenig Zeit vorhanden, es muss schnell gehen, in einen anderen Musikstil einzutauchen.
Ich glaube, das funktioniert nicht. Die Musik ist so vielfältig und facettenreich, dass es immer ein kleines Studium ist, sich eine neue Musikwelt zu erschließen. Wenn ich kubanische Musik würde lernen wollen, würde ich versuchen in eine Band mit Kubanern reinzukommen. Ich bezweifle aber stark, dass die an meinem Bass-Spiel Freude hätten. Also bleibt noch, Kontakt zu einem kubanischen Bassisten herzustellen, der vielleicht sein Spiel erklären und einem Deutschen vermitteln kann.

Ich befasse mich seit einigen Wochen mit den Liedern meiner neuen Band (alles eigene Songs). Der Stil ist vielleicht mit europäischem Folk gut überschrieben. Darunter wäre die Sortierung französischer Chanson, spanischer Flamenco und dazu noch weiteres, was nach Irland, Schottland passen würde. Der Umstieg von meinem bisherigen Cover-Rock in diese Songs ist sehr erheblich. Ich arbeite nun schon Wochen daran, die Rhythmik, Stimmung etc. der Songs gut zu treffen. Bei einigen will es mir noch nicht so recht gelingen. Also weiter daran arbeiten-Stichwort Zeit

 

[triona]

...
Irgendwo wurde gesagt: Wenig Zeit vorhanden, es muss schnell gehen, in einen anderen Musikstil einzutauchen.
Ich glaube, das funktioniert nicht. Die Musik ist so vielfältig und facettenreich, dass es immer ein kleines Studium ist, sich eine neue Musikwelt zu erschließen. ...

Das würde ich auch so sehen. Immer wenn ich mal einen weiteren Musikstil in mein Repertoire aufnehmen oder wenigstens mal ausprobieren will, dann dauert das seine Zeit, bis ich mich da so weit reingearbeitet hab, daß auch was Gescheites dabei rauskommt. Mehr üben beschleunigt meist den Vorgang. Und mit anderen zusammen, die es schon drauf haben, gehts wahrscheinl auch meistens besser.


liebe grüße
triona

 

[BassPapa]

Kennst Du die Bass Bible? Da sind für die unterschiedlichsten Stilrichtungen Beispielpatterns verzeichnet. Vielleicht kann Dir das ja helfen.

Stimmt, die hatte ich gar nicht mehr auf dem Schirm. Wollte nämlich vorschlagen, Dir die Stilistiken einfach anzuhören und dann nach Gefühl mitzuspielen.

 

[4low]

Wie heißt‘s noch so schön? „Kunst kommt von „Können“ - nicht von „Wollen“... sonst würd‘s doch „Wunst“ heissen!“.

Ich habe hab lange überlegt, warum ich die Ursprungsfrage so ein wenig anstössig finde: wenn jemand in einem Künstlerforum fragen würde: „Ich möchte eine Ausstellung veranstalten mit möglichst vielen unterschiedlichen Stilrichtungen - hab aber keine Zeit, mir das bis dahin alles draufzuschaffen... gibt‘s nicht irgendwo eine „Malen-nach-Zahlen“-Vorlagensammlung, wo ich die Mona Lias, die Guernica und irgendwas von Warhol finde? Ich hätte es ja dann trotzdem selbst gemalt - und den Unterschied merkt schon keiner...“.

Ich finde das vom Ansatz her recht respektlos gegenüber allen, die sich lange Zeit ernsthaft und mühselig mit Stilistiken beschäftigen...
Wie würde denn Eure Big Band klingen, wenn alle diesen Ansatz fahren würden?

Viellricht bin ich da auch altmodisch, aber ich finde halt „ Es muss schwierig sein - donst bedeutet‘s nix!“.

 

[Mr.Mingus]

also leute übertreibt mal nicht.
soll ich also keine musik machen nur weil meine Frau grad krank ist, zwei kinder nun mal zeit kosten und der pflegebedürftige opa nabendran wohnt.
es geht mir um eine ungefähre orientierung. (wenn ich zb weder den song kenne oder sonst was)
das ich zeit inverstieren muss wenn ich mir richtig etwas drauf schaffen möchte ist mit klar. spiele selbst seit knapp 20 jahren....

 

[Mr.Mingus]

Ich finde das vom Ansatz her recht respektlos gegenüber allen, die sich lange Zeit ernsthaft und mühselig mit Stilistiken beschäftigen...

nicht jeder hat die gleichen alltag...
Der Posaunist in Rente hat natürlich mehr zeit

 

[II-V-I]

Ich finde es nicht verwerflich, wenn man sich etwas Variantenreichtum antrainieren will. Und im übrigen ist es auch legitim nur zu kopieren/imitieren. Es kommt immer auf den Kontext an. In @triona s Beispiel hätte es gereicht, wenn der Pianist den Rag für einen Tune hätte "mimikri" spielen können, ohne selbst der personifizierte Ragtime zu sein.

Es ist ein Unterschied, ob ich mal in einem Stil einspringe, oder ob ich mich dort zu Hause fühle und aus dieser Position Neues erschaffen kann. Wenn man drei, vier Bossa-Feel-Nummern durcharbeitet, dann kann man praktisch schon auf einer Jamsession damit auskommen. Es muss ja nicht immer gleich hohe Kunst sein, Musik machen ist auch ein Stück weit Handwerk, so ehrlich müssen wir doch sein.

 

[bassprofessor]

Ich würde auch zur Bass Bible raten oder zu Siggi Buschs Jazz Bass Compendium. Dann hast du dann die von drop2 gemalten Beispiele etwas umfangreicher. Als fertige Tabelle kenne ich das nicht, die könntest du aber mal basteln und hier einstellen ...