Real Book, Jazz-Session, Tipps für Anfänger

bassilisk

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Nein, Anfänger bin ich nicht; ich lese gut Noten, kann mir mit etwas Zeit und Ruhe einen Rocksong drauf schaffen und spiele seit letztem Sommer ganz anständig in einer Bigband.
Dennoch: Meine letzte Session ist gefühlte 30 Jahre her und hat außer "Blues in A oder E" und ein paar easy Rock-Klassikern ("die Bridge lassen wir weg") nichts gefordert. B)

Nun ist es so, dass mich jemand auf eine Session eingeladen hat und ich (vermutlich sowieso der einzige Bass) da nicht kneifen kann und werde.
"Das ist ganz einfach, ein paar Klassiker... Autumn Leaves, Chicken, blablabla... Wir spielen nach Real Book.." Keine Ahnung, was da auf mich zu kommt.

Ich habe mir nun Real Book 1+2 als PDF herunter geladen und stehe ein bisschen da, wie der Ox vorm Berg. Ich kenne wirklich 99% der Stücke nicht - auch nicht das Feeling, Tempo, evtl. essenzielle Bassline...
Wie soll ich anfangen? Und schreibt jetzt bloß nicht, ich solle auf möglichst viele Sessions gehen, dann werde das schon...

Vielen Dank! :bier:
 
Frag Deinen Bekannte doch mal, ob er Dir die zehn gängigsten Standards aufschreiben kann, und dazu noch die zehn einfachsten. Die hörst Du dann erst einmal eins nach dem anderen durch, bis sie einigermaßen im Gedächtnis sind, und versuchst dann, die Songs im Realbook nachzuvollziehen und dazu zu spielen.
Meistens ist das nur eine Melodie mit mehr oder weniger komplizierter Akkordfolge, die ein, zwei mal durchgespielt wird, danach wird darüber reihum improvisiert, zum Schluss wird die Melodie wieder lustig geträllert, Schluss.
 
Es gibt doch mittlerweile eine ganze Reihe von Backing Tracks für das Realbook, so dass man zumindest einen ersten Eindruck von dem Stück bekommt..wie z.B. das hier:

Hilfreich ist auch Musescore, wo es auch viele Stücke für unterschiedliche Instrumente/Besetzungen gibt....
Ansonsten vermittelt auch iReal Pro oder ein ähnliches Programm einen guten Überblick und bietet die Chance zum Mitspielen...
 
Hi,
den Tip mit den 10 gängigsten Standards find ich gut. Zumal du die Erfahrung machen wirst, dass auf vielen JazzSessions die Leute eh jedesmal die gleichen Stücke spielen. Die machen sich nämlich oft nicht die Mühe mit was neuem anzukommen.
 
Sprich ihn noch mal an und leg mit ihm 20 Songs fest - 10 leichte und 10 die du kennst - die üblich sind.
Die könnte ihr dann spielen - es ist nichts ehrenrühriges dran, Songs nicht zu spielen, wenn man sie nicht kennt.
Bläser spielen auch nur das, was sie können/mögen und sind ganz schnell von der Bühne wenns ungemüdlich wird. ;-)
 
Als Basssist braucht man bei den allermeisten Jazzstandards ohnehin nur die Akkordwechsel. Der Rest ist Hören und Improvisation. IReal Pro ist da ganz hilfreich, auch ein guter Walking Bass. Ausserdem ist es ganz hilfreich sich einfach mal ein paar andere Bassisten anzuhören, wie sie die Standards interpretieren. Das Schöne beim Jazz ist, dass Du innerhalb der Akkordwechsel viel Freiraum hast. Und dann liegt es an Dir, wie Du diesen Freiraum nutzt.
 
Mit
bassilisk schrieb:
Blues
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kommst du schon ganz schön weit. Nur nicht
bassilisk schrieb:
in A oder E
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...sondern in c-Moll, F oder B
Ein paar Stücke, die eigentlich Blues sind:
Freddie the freeloader
Solar
Equinox
all Blues
...und noch eine ganze Menge mehr.

Woran man sich gewöhnen muss, ist die Schreibweise im Realbook. A-7 zum Beispiel bedeutet a Moll 7. Ansonsten spiele ich bei Bass-Begleitung nach Leadsheet in erster Linie die Akkordtöne. Aber es ist Jazz! Da kannst du spielen, was sich für dich gut anhört.

Was mir, als ebenfalls Jazz-Anfänger geholfen hat, ist nicht zu überambitioniert an die Sache rangehen und denken, dass Jazz komplizierte Musik ist, die noch komplizierter gespielt werden muss. Die kochen alle mit Wasser und wollen die Stücke spielen, die sie kennen und können. Mach einfach selbst ein paar Vorschläge. Ich habe letztens Jelly Roll von Charles Mingus vorgeschlagen. Da kommt man sogar mit Wechselbass zurecht.

Was mir auch immer sehr geholfen hat, und wobei ich auch viel lerne, ist sich mal hinzusetzen, versuchen die Stücke zu analysieren und sich die Akkordfolgen klar zu machen. So ist es mir sogar gelungen, bei einem Stück, wie "how high the moon", eine für mich nachvollziehbare Struktur zu erkennen. ;-)
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Und vor Allem: Hören, hören, hören... Du solltest die Melodien und die Akkordfolgen kennen.
:bier:
 
Zuletzt bearbeitet:
bassilisk schrieb:
Ich habe mir nun Real Book 1+2 als PDF herunter geladen und stehe ein bisschen da, wie der Ox vorm Berg. Ich kenne wirklich 99% der Stücke nicht - auch nicht das Feeling, Tempo, evtl. essenzielle Bassline...
Wie soll ich anfangen? Und schreibt jetzt bloß nicht, ich solle auf möglichst viele Sessions gehen, dann werde das schon...

Vielen Dank! :bier:
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Einfach von einer konkreten Setlist je zwei/drei Varianten auf die Playlist und durchhören. Erstmal mit den Grundakkorden durchspielen, dudeln kann man ja später noch. Ich hoffe jetzt mal, dass die Einladenden nicht völlig überversiert sind und querfeldein substituieren, was das Zeug hält. Umgekehrt kann man auch mal knallhart gegenhalten und "All the Things" auf Grundtönen durchtackern. :D
 
EADG schrieb:
Und vor Allem: Hören, hören, hören... Du solltest die Melodien und die Akkordfolgen kennen.
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Ganz genau. Beim Jazz kommt es auf die Soli an. Und da ist eigentlich gerade immer irgendjemand dran. Darunter liegt ein guter Walking Bass meist besser als eine zu elaborierte Basslinie. Es sei denn, Du solierst gerade selber. Basssoli kommen beim Jazz viel häufiger als in anderen Stilrichtungen vor. Und beim Jazz rennen die Zuhörer beim Basssolo auch nicht so oft auf's Klo wie im Rock oder Pop :-) .
 
Nochmal how high the moon... Wenn man sich die folgenden Interpretationen anhört, merkt man, dass es viele Möglichkeiten gibt so ein Stück zu spielen, wenn man die Melodie und die Akkordwechsel drauf hat:





und hier ist das Original von "autumn leaves"


Oft sind das Broadwaymelodien oder alte Schlager, die dann "verjazzt" wurden. Also keine Angst vor "Realbook-Taliban" ;-)
:bier:


Edit: Was mir auch sehr geholfen hat, waren einige Antworten in meinem thread:
"des Kaisers neue Skalen -oder- welche schöne tiefe Töne spielt ihr eigentlich?"
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Netz gibt es auch Seiten, die die "wichtigsten" (besser: gängisten) Standards listen, z.B. https://www.learnjazzstandards.com/blog/50-jazz-standards-you-need-to-know/, https://jazzfuel.com/essential-jazz-standards/, https://www.jazzadvice.com/lessons/building-your-repertoire-part-ii-10-key-tunes/, https://standardrepertoire.com/pages/the-top-25-jazz-standards.html, https://www.learnjazzstandards.com/blog/50-jazz-standards-you-need-to-know.
Da würde ich mir einige raussuchen und spielen, bzw so viele üben wie möglich.

Standards, die dir nicht zusagen (Tonart, Struktur, Tempo, was auch immer), auch markieren und NICHT auf der ersten Session (mit unbekannten Wegbegleitern) spielen. Den Stress würde ich mir nicht antun.

Kläre dem Gitarristen/Keyboarder und dem Schlagzeuger bevor ihr spielt kurz darüber auf, wo du stehst. Sie wissen dann, was auf sie zukommt und können dir die ein oder andere Hilfe geben.

Manchmal (insbesondere mit Sängern) gibt es vor dem Stück eine Diskussion (oder auch nur eine kurze Ansage), dass die Nummer XYZ in jetzt Tonart soundso gespielt wird. Diese Ansage findet manchmal auch nur bilateral zwischen dem Sänger/Bläser und Keyboarder statt, so als ab der Basser egal wäre. Aufpassen und evtl. Veto einlegen.

Was bei Sessions hin und wieder ein Thema ist, ist die Form zu halten. Da kannst du als Bassist sehr viel Gutes beitragen. Also lieber die Form des Stückes können (hier hilft auch die ein oder andere Notiz im Real-Book) als den allerletzten Akkord auszuchecken.

Sound? Nicht zu laut und nicht zu bassig/rockig. Es wird nicht erwartet, dass die Hosenbeine wackeln. Mit einer moderaten Lautstärke kannst du dich auch auch besser mal verstecken, falls notwendig.

Stellung? Ich würde mich zum Keyboarder gesellen. Am besten sogar so, dass du in seine Noten reinschauen kannst.

Und der Abschluß? Es gibt ein paar Klischees, wie Stücke (manchmal ganz bestimmte Standards) beendet werden. Die kannst du nicht mal so kurz lernen (weil sie oft auch nicht im Realbook notiert sind). Vor der jeweiligen Nummer fragen, wie man wieder rauskommt :-)
 

jhaist schrieb:
Manchmal (insbesondere mit Sängern) gibt es vor dem Stück eine Diskussion (oder auch nur eine kurze Ansage), dass die Nummer XYZ in jetzt Tonart soundso gespielt wird. Diese Ansage findet manchmal auch nur bilateral zwischen dem Sänger/Bläser und Keyboarder statt, so als ab der Basser egal wäre. Aufpassen und evtl. Veto einlegen.
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Yo. Das passiert häufiger. Da raunt mir der Pianist dann kurz vor dem Anzählen auf der Bühne zu "Ach übrigens, wegen der neuen Sängerin spielen wir das Stück in Tonart XY". Deshalb gewöhne ich mir nach Möglichkeit immer Fingersätze ohne Leersaiten an. Die lassen sich leichter transponieren.

jhaist schrieb:
Was bei Sessions hin und wieder ein Thema ist, ist die Form zu halten. Da kannst du als Bassist sehr viel Gutes beitragen. Also lieber die Form des Stückes können (hier hilft auch die ein oder andere Notiz im Real-Book) als den allerletzten Akkord auszuchecken.
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Ganz grosses Ausrufezeichen ! Als Basssist bist Du der Meister der Form. Die zu halten ist Dein Job. Damit alle wieder heim zu Muttern finden, wenn sie sich wieder mal völlig versoliert haben.
 
bassilisk schrieb:
Wie soll ich anfangen? Und schreibt jetzt bloß nicht, ich solle auf möglichst viele Sessions gehen, dann werde das schon...
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Stimmt, da war ja noch eine andere Frage... Kannst du nach Akkordsymbolen Walking Bass spielen? Manche Bigbands spielen ja fast nur ausnotiertes Zeugs.
Falls nicht, müsstest du dir da so viel als geht noch drauf schaffen. Die Abwesenheit von Basslinien hast du sicherlich schon in den PDFs entdeckt.
Die Grundlagen sind dazu sind ja zum Glück sehr einfach, bzw. man kommt mit einfachsten Mitteln (Dreiklänge + Übergangston) schon richtig weit.

Dann noch ein Hinweis zu den Real Books - die gibt es in verschiedenen Auflagen (1st Edition, 5th Edition, ...) und ähnlich klingende Namen (Real Book, New real book, Real jazz book und -mittlerweile auch sehr verbreitet die iRealPro-App) ähnlicher Bücher. Teilweise sind Akkorde und auch Tonarten unterschiedlich und es sind nicht in allen Edition alle Titel vorhanden. Es lohnt sich ein kurzer Check, ob alle eine zueinander passende Version haben. Akkordabweichungen sind meistens nicht so kritisch, oft sind das nur andere Übergänge. Tonart aber auf jeden Fall checken!
Die aktuelle Version ist diese hier und wenn vom RealBook gesprochen wird, ist meistens diese auch gemeint:

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The real book, Volume I, 6th edition. Du benutzt als Bassist die C-Version (Bläser dann Bb- oder Eb-Version).
 
Erstmal danke, liebe Leute.🙏🏽
Das hat mir alles schon viel geholfen.

In der Tat spiele ich i.d.R. einen ausnotierten
Walkingbass. Akkorde sind mir geläufig, allerdings habe ich auch schon gemerkt, dass die Jazzer das anders notieren als ich das damals in den 80ern klassisch gelernt habe. Naja.

Ich habe ja jetzt das Realbook 1&2 als Pdf, das sollte genügen, mehr wäre übertrieben.
Solos spielen war noch nie meines, das fange ich auch nicht mehr an.
Ich denke, die Leute sind da sehr wohlwollend, vermutlich privater Rahmen, schaumermal.

Jetzt muss ich das nur noch umsetzen...
Könnte mir noch jemand erklären, was eine "Form" ist? Vermutlich das Akkordschema, der Ablauf, oder?

@LaFaro : Ja, nette Einspielübung, danke.😘
 
Amaj7 wäre doch Dur, A7 ist doch Dominantsept 😧

Lerne verschiedene Griffbilder, rauf runter, hin und her
maj7
-7
7
vermindert/ halbvermindert

Die 7er kannst du schön über jede Bluesform spielen.
 
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