So, hab die beiden Probanden mal angespielt. Vorab: Bin weniger der Typ Overdrive und Zerre, eher im Low Gain Bereich unterwegs.
Erster Eindruck: Die Cab Sim ist bei beiden mal richtig gut. Wirklich authentisch! Man hat nicht das Gefühl, dass hier ein popeliger EQ lediglich Frequenzverläufe simuliert. Auch die Kompression, die bei höheren Lautstärken m.E. viel vom Charakter der Originalboxen ausmachen, scheint hier abgebildet zu sein. Und das nicht mittels digitaler IR, sondern voll analog. Echt bemerkenswert!
Der 64 bringt schön den "pappig-mittigen", leicht hohlen Charakter der alten Fender 215 rüber. Bedeckt in den Höhen und mit relativ wenig Tiefbass. Ist eben keine Mesa 215, soll sie ja auch nicht sein. Beim Spielen wünsche ich mir einen alten Höfner Violin Bass griffbereit zu haben, das müsste passen wie A.... auf Eimer. Erinnerungen an Macka's Sound drängen sich mir jedenfalls auf (keine Ahnung, ob der im Studio jemals Fender Amps gespielt hat, man hört ja eher von Vox & Co). Carol Kaye für die Beach Boys kommt mir auch wiederholt in den Sinn. Dieser ploppige Plek-Sound, yo! Und mit ordentlich Overdrive bringt sie eine sahnige Zerre rüber, top!
Die Simulation des 810 Kühlschranks beim SV ist ebenfalls sehr gut gelungen. Typisch tiefmittig bullig, aber nicht bollerig. Gefällt mir persönlich noch besser, als die Fendersimulation, weil sie für meine Anwendungen universeller einsetzbar scheint. Ist aber reine Geschmackssache. Hier kommen High Gain Sounds durchaus bissiger, als beim 64, werden aber trotzdem abgemildert und nicht ätzend wiedergegeben.
Die Cab Sims sind jedenfalls so gut, dass es ein tolles Feature ist, die auch bei ausgeschaltetem Pedal auf den DI Out schalten zu können. Quasi eine analoge IR, der man verschiedenste Preamps vorschalten kann, wenn man denn will. Hab mal versuchsweise einen Growling Krizzly vorgeschaltet, und schon hat man GK+810 Sound.
Auch beide Preamps klingen wie erhofft sehr authentisch. Der 64 reagiert tatsächlich ähnlich wie das klassische Tonestack. Allerdings beeinflussen sich die Regler m.E. untereinander nicht so stark, wie ich das vom Bassman oder auch Twin Reverb kannte. Ansonsten echt sehr gut getroffen!
Der SV klingt Ampeg, basta, passta!
Interessant ists übrigens den SV über die 64er Cab Sim zu spielen und umgekehrt. Hier wird dann noch deutlicher, dass der Fenderklon runder und milder abgestimmt ist, der SV dafür mehr Durchsetzungskraft hat.
Richtig interessant wird es übrigens, wenn man DI und Amp Out am Pult zusammenmischt. Die Phasenlage passt, keine Auslöschungen, sehr fein. In Verbindung mit dem Blend-Regler hat man die Option Cab Sim, Preamp Sound samt Amp Out EQ und Direktsignal zusammenzumischen. Klasse! Wem auf Recordings Frische und Brillianz bei der Cab Sim fehlt, kann hier gegensteuern, oder Mitten durchsetzungsfähiger machen. Z.B. am Amp Out EQ LF und HF runterregeln, so dass nur noch Mitten auf dem Amp Out liegen, die dann am Pult nach Gusto zumischen. Auf dem DI Out liegt ja nach wie vor das volle Signal samt Cab Sim. Das bringt zusätzliche Möglichkeiten sich im Mix perfekt zu positionieren.
Live vor dem Amp zeichnet sich beim Schnelltest bislang ein durchwachsenes Bild. Auch hier bei beiden Kandidaten ähnlich. Bin direkt in die Endstufe eines Eich T500 an FMC410. Erster Eindruck schon vor dem ersten gespielten Ton: Ein deutliches Grundrauschen bei aktivierten Pedalen. Auf dem Amp Out liegt ja keine Cab Sim und die Originalboxen haben keine Hochtöner. Hier kommt der Amp Out EQ ins Spiel. Den passenden Horn Cut aktiviert, Rauschen ist im Griff. Mit LF und HF noch etwas Feinabstimmung. Hmm, trotzdem erstmal nicht so eindrucksvoll, wie ich es erwartet hatte. Hatte bei beiden Tretern den Eindruck, dass die Bässe/Tiefmitten zwar satt und luftig, aber auch ein wenig angestrengt klingen. Insgesamt erstmal unspektakulär, durchaus gut, aber nicht die vielleicht überhöhte Erwartungshaltung erfüllend. Im Bandkontext mit Gitarre und Keys zeigt sich allerdings ein anderes Bild, beide Pedale fügen sich sehr gut in den Gesamtsound. Der Klang des Instruments kommt durch, besser als z.B. beim Bassdriver, der m.E. den Eigencharakter des Instruments viel stärker übertüncht. Mein 70s Style Jazz Bass, 62er P, 54er Single Coil P, oder mein Hollowbody Super Long Scale, alle behalten ihr ureigene Stimme, werden nicht übergebügelt.
Ich meine aber zu verstehen, was Gregor bei seinem Test beim basstheworld Kanal meinte, als er sagte, die Treter könnten vor dem Amp kein Ampeg/Fender Stack ersetzen. Die Macht eines aufgedrehten Vollröhrenamps haben die einfach nicht. Vielleicht ist es sogar ein gutes Zeichen. Vordergründig spektakuläre erste Eindrücke bei neuem Equipment relativieren sich oft schnell. Dafür zeigen manche, zunächst blass wirkende Gerätschaften ihre Stärken gerne später, im Kontext, auf den zweiten Blick. Ich muss da nochmal 1-2 Stündchen mit der Band investieren, bevor ich mir ein abschließendes Bild machen kann.
Da die berechtigte Frage nach dem Sinn oder Unsinn eines vorgeschalteten Kompressors kam: Mir gefällts! Hab den Cali76 CB davor und auch wenn der natürlich etwas die Dynamik zügelt, verleiht er dem Sound bei meinen Settings ein zusätzlichen Punch und Snap in den Mitten, holt das Instrument im Mix nochmal nach vorne. Mir gefällt das jedenfalls sehr!
Vorläufiges Fazit: Origin Effects hat da zwei tolle Pedale auf den Markt gebracht. Für Recordings kenne ich momentan kein simpleres und intuitiveres Tool, um die ikonischen "old school"-Sounds so authentisch zu liefern und das dazu noch so viele Möglichkeiten bietet seinen Sound feinzustimmen. Man kann natürlich mit Helix & Co. auf noch mehr Modellingamp-Parameter wie Sag, Bias, Mikros samt Positionen usw. zugreifen und statt auf eine festinstallierte Cab Sim unzählige IRs nutzen, muss dafür aber in digitalen Menüs und Untermenüs rumwurschteln. Und obs dann bessere Ergebnisse bringt sei dahingestellt. Wohl auch eine Philosophiefrage. Ich steh eben eher auf analoge Spielzeuge, speziell in der Basiskette Instrument, Komp, Preamp, Amp. Zumal jedes hochwertige externe (analoge) Pedal bei meinem HX Stomp Prozessorpower spart, die ich für andere leistungshungrige Spielereien gut brauchen kann. Beindruckend finde ich, wie diese Charakterpedale trotzdem den Eigencharakter des Instruments durchlassen.
Live vorm Amp bin ich wie gesagt noch nicht fertig mit dem Test, werde den Bericht hier also demnächst noch ergänzen. Ebenso wie die Bassrigs über FOH/PA kommen, das hab ich mangels Gelegenheit noch gar nicht getestet.
Am liebsten würde ich tatsächlich beide Bassrigs behalten, aber das ist finanziell leider nicht drin. Der SV bleibt aber auf jeden Fall! Die 810 Cab Sim passt für mich besser. Playalongs, Übesessions am Rechner und Kopfhörer machen einfach nur Laune. Ich höre mich perfekt im Mix, hab trotzdem nicht wie sonst manchmal das Gefühl mich fürs Monitoring etwas "lauter" pegeln zu müssen, als der Rest der Band spielt. Eingebettet im Gesamtsound mitzuspielen ohne unterzugehen, im Hintergrund eingebettet und trotzdem präsent zu sein, oder im Vordergrund aber nicht zu dominant im Mix zu sitzen. Das sind schon seltene Qualitäten, allein dafür lohnt sich der doch saftige Preis. Ein Darkglass Ultra auch nicht günstiger, insofern ist die Preisgestaltung, nicht nur wegen der ebenfalls sehr hochwertigen Verarbeitung keinesfalls übertrieben, finde ich.
Kein Bild, kein Pedal...
Anhang anzeigen 577451
Die Bassrigs sind sogar nur bis ca. 9:00 clean, ab dann fangen die schon langsam an zu knuspern.
