Also ich "fürchte" mich vor ihr genauso wenig wie vor Tal Wilkenfeld. Im Gegenteil, ich wünsche es ihr, dass sie es aufgrund ihres Geschlechts nicht schwerer hat als ihre männlichen Kollegen.
Auch mit der Gefahr hin das dies extrem kontrovers diskutiert wird:
Ich denke sie hat es leichter als ihre männlichen Kollegen denn eine Frau an Bass, Drums oder Gitarre gibt es immer noch relativ selten. Hier kann man sich viel schneller (ein gewisses Niveau vorausgesetzt) bekannt machen. Frau Glyk oder Winkenfield sind natürlich tolle Basser aber - rein objektiv vom musikalischen Niveau her nach akademischen Standards betrachtet - auch nicht wahnsinnig besonders. Das Niveau haben eigentlich die meisten Absolventen solcher Studiengänge. Als Mann (der 99% in dem Buisness ausmacht) bist du dann auch nur einer von vielen. Als Frau stehst du aber auf weiter Flur alleine.
Frau Spalding nehme ich hier mal raus, die ist wirklich außergewöhnlich gut und besonders!
Auch in den unteren Profibereichen erlebe ich das Phänomen "Frau macht Rock" immer wieder. Habe mit einer Drummerin getourt die weder gegroovt hat noch Timing halten konnte. Sie sah aber sehr vorzeigbar aus und das Publikum hat es gefeiert als ihr Name als einzige Frau auf der Bühne aufgerufen wurde. Sie hat sich den Job noch dazu gesichert indem sie regelmäßig den Gitarristen an sich ran gelassen hat...
Aber auch ohne "Sex sells" habe ich immer wieder erleben müssen, das bei Frauen anderen Maßstäbe gelten als Instrumentalisten im Rock/Pop. Ich denke da an eine Jazzpianistin von der Hochschule welche extrem gefeiert wurde weil sie sich sehr künstlerisch verkaufte mit ihrem verwuscheltem Haar und dem knappen Kleidchen, gleichzeitig aber nicht in der Lage war Autumn Leaves in einer anderen Tonart zu spielen als es im Realbook steht. Oder eine Bassistin die mit einer Zweifingertechnik in der linken Hand und langweiligen 8tel-Linien sich das Herz der Dozenten erspielte mit ihren eigenen 3-Chord-Rocksongs, welches jeder jugendliche Bassschüler an der Musikschule mit 15 bereits kann. Hätte ich oder ein anderer männlicher Basskollege sowas zur Abschlussprüfung gespielt, wären wir durchgefallen! Von uns würde selbstverständlich Jaco und Miller erwartet...
Ich möchte betonen das ich nur von meinen Erfahrungen im Bereich Rock/Pop ausgehe. Das Frauen genauso gut Musik machen können und es überhaupt keine geschlechtliche Einschränkung gibt, muss eigentlich nicht extra erwähnt werden. Jeder der sowas denkt hat echt nen Problem mit sich selber. Im Bereich Klassik ist es ja auch schon völlig gleichberechtigt, hier wird zurecht kein Unterschied mehr gemacht! Hier sind die Studiengängen vom Anteil her 50:50! alles ist sehr gleich verteilt. In manchen Instrumentengruppen gibt es natürlich noch Sexismus, allerdings auch in beide Richtungen:
Blechbläßerin als Frau zu sein ist extrem schwierig aber frag mal einen männlichen Harfenisten wie es ihm geht bei Bewerbungen... Streicher, Holz und Piano gibt es aber keinerlei Unterschiede mehr.
Im Rock/Pop ist noch viel Arbeit von Nöten bis eine wirklich Gleichberechtigung in beiden Richtungen gibt. Frauen als Instrumentalisten haben noch viel Emanzipation nötig, ich bin absolut dafür denn es kann der Szene nur gut tun. Dazu ist die aktuelle Situation auch einfach untragbar für die männlichen Kollegen, welche bei Probespielen gegen Frauen regelmäßig aufgrund des 'Besonderheitsbonus' verlieren.
Warum es bis heute überwiegend männlich im Rock/Pop-Bereich zugeht, ist schwer zu beurteilen. Ich denke das ist der allgemeinen Situation was das Thema Emanzipation angeht geschuldet und braucht noch Zeit. Das Argument, das es ok wäre das Männer benachteiligt werden da es Jahrzehnte lang anders herum war, sehe ich aber anders. Ich lebe heute, kann nichts dafür das es früher so war und bin nicht glücklich darüber, deswegen benachteiligt zu werden...
Aber die Patenlösung habe ich auch nicht, kann nur aus Erfahrungen berichten... Schwierig...
Grüße Hen
