Ich kenne die Gründe warum die Empfehlung ausgesprochen wurde und auch das Dänische Modell das als Vorbild dient.
In erster Linie geht es, genau wie hier beim Thema Fleisch um wirtschaftliche Gründe.
Sicher gibt es auch Krankenhäuser die bei einem Infarkt nahe liegen aber nicht gut ausgestattet sind. Das wird als Argument immer vorgeschoben. Die Frage lautet aber: Warum wird es überhaupt angesteuert wenn doch die 100 Km entfernte Fachklinik besser ausgestattet ist? Die gibt es jetzt auch schon.
Ich habe auch die 85 jährige Ehefrau eines Infarktpatienten im Fokus die ihren Ehemann in der 100 km entfernten Großklinik besuchen will. Die wird da gar nicht hinkommen.
Und nun kommt Covid-19 ins Spiel. Plötzlich wird klar, dass die Krankenhäuser im Falle einer Pandemie nicht ausreichen und der Lockdown wird ausgesprochen. Dass wir uns den Lockdown mehrmals leisten können alte ich für unwahrscheinlich. Insofern halte ich die Schließung von Kliniken für nicht Sinnvoll.
Die Politik ja inzwischen auch.
Wenn Du das dänische Modell kennst, dann weißt Du aber auch, daß es nicht darum geht alle kleinen Krankenhäuser rein aus Profitgründen zu schließen, sondern daß es in erster Linie darum geht die Versorgunsqualität insgesamt zu verbessern. Und da ist es leider eine Tatsache, daß kleine Krankenhäuser naturgemäß nicht die Qualität leisten können, wie eine Fachklinik oder eine Großklinik. In einer idealen Welt könnte man überall die gleich gute Versorgung installieren. Leider geht es, und da hast Du vollkommen Recht, aus wirtschaftlichen Gründen nicht, weil niemand diese enormen Kosten tragen will. Ich fände es auch toll, wenn alle 85 jährigen Ommas und Oppas in bequemer Nähe für jedes Fachgebiet eine spezialisierte Klinik finden würden. Aber das halte ich für Utopisch.
Letztlich geht es in der Diskussion, wie so oft in der Politik, darum einen (hoffentlich dann) vernünftigen Kompromiss zu finden. Wobei ich dazu sagen muss, daß ich generell finde, daß die reine, profitable Wirtschaftlichkeit nicht das Hauptaugenmerk darstellen darf. Auch bei privat geführten Krankenhäusern nicht, aber das wird naturgemäß sehr schwierig durchzusetzen. Privatisierungen führen letztlich immer dazu, daß verstärkt auf den Profit geschaut wird. Aus genau diesem Grund muss man solche politischen Entscheidungsprozesse sehr gut verfolgen, weil ich durchaus auch die Gefahr sehe, daß die Profiteure die Oberhand gewinnen und es letztlich nicht mehr auf eine Verbesserung der gesamten Versorgungsqualität in Summe in Deutschland geht, sondern tatsächlich um Streichungen und Zusammenlegungen, damit mehr Geld verdient werden kann. Das darf nicht passieren.
Deutschland hat im internationalen Vergleich tatsächlich überdurchschnittlich viele Krankenhäuser, was ja auch der Aufhänger für die Überlegungen sind. Ich befürchte aber, daß diese vielen Krankenhäuser uns im Falle der Pandemie gar nicht so irre viel gebracht haben. Wir hatten in Deutschland ja tatsächlich die Lage, daß wir unsere Intensivstationen in den Krankenhäusern eben nicht, wie z.B. in Italien über die Auslastunggrenze hinaus gesprengt haben. Das dürfte aber daran gelegen haben, daß in Deutschland alle möglichen Maßnahmen, welche eine Weiterverbreitung des Sars-Cov2 Virus behindern gerade noch rechtzeitig eingeführt wurden. Und dann hat unsere Bevölkerung da auch noch in ausreichendem Maße mitgemacht. Deswegen kam es nie zu diesen grausig hohen Infektionszahlen in kurzer Zeit wie in anderen Ländern.
Tatsächlich ging es bei der Frage zur Überlastung unseres Gesundheitswesens aber gar nicht direkt um Kleinkrankenhäuser. Entscheiden für Covid-19 ist doch eher die Zahl der Intensivbetten, die einen schwer erkrankten Covid-19 Fall auch tatsächlich behandeln können. Also mit den dafür notwendigen Stationen um eine Beatmung durchführen zu können inklusive dem dafür erforderlichen Fachpersonal. Dieses Fachpersonal und die Intensivstationen wird man nicht für umsonst flächendeckend Vorhalten können. Zudem Fachpersonal auch in Übung bleiben will, damit die ihren Job nicht verlernen. Und genau das sind die Überlegungen der ursprünglichen Empfehlungen auch diesen Studien (nicht nur von der Leopoldina) gewesen: Es war einfach die Erkenntnis, daß ein kleines Krankenhaus sich schwer damit tut eine Lebertransplantation routiniert uns so gut als möglich sicher für den Patienten zu machen, wenn die so einen Fall nur einmal alle sechs Monate haben. Da steht eine Universitätsklinik in der Großstadt einfach besser da. Deswegen die Überlegung, daß eine kleine Klinik so etwas auch gar nicht anbieten sollte. Und tatsächlich ist es so, daß die Betreiber kleiner Kliniken solcherlei Spezialversorgungen schon ganz gerne auch im Produkt-Portfolio haben, weil sie damit mehr Kundschaft anlocken können. Allerdings eben dann mit schlechter Versorgungsqualität. Dieses Profitdenken will ich nicht unterstützen.
Zusammengefasst:
Es ist ein sehr komplexes Thema in dem viele Sachen mit rein spielen und in verschiedenste Richtung ziehen. Ich traue mich nicht hier eine pauschale Beurteilung abzugeben. Wichtig wäre mir, daß unsere Gesellschaft eine bestmögliche medizinische Versorgung anstrebt. Diese lässt sich meines Erachtens am ehesten durch einen Mix aus versorgungsnahen Kleinkliniken und dünner gesähten spezialisierten Fachkliniken, sowie einzelnen Groß/Uni-Kliniken realisieren. Die Kleinkliniken sollten tatsächlich nur eine Grundversorgung anbieten, wenn eine echte Spezialisierung mangels ausreichendem Bedarf gar nicht sinnvoll machbar ist. Ob eine Klinik dann ncoh wirtschaftlich arbeiten kann ist ein wichtiges Thema, sollte aber nicht an erster Stelle stehen. Da müssen wir den privaten Betreibern und der Politik auf die Finger schauen, was die dann daraus machen wollen.
Letztlich bleibt auch die Frage, wieviel wir alle bereit sind dafür zu zahlen, daß wir Krankenhäuser auf Standby stehen haben und wieviel eine Fachabteilung noch leisten kann, wenn sie nur auf Standby betrieben wird. Das sind allerdings auch keine neuen Erkenntnisse, weil es bereits jetzt Vorgaben gibt, die einer Klinik vorschreiben, wieviel freie (Intensiv-)Betten sie vorzuhalten hat. Vielleicht sollte man auch diese Vorgaben jetzt mal wieder kritisch überdenken.
