Die Handwerksmetzgerei! ....um´s Eck???

[whitewater]

So ist es wohl.
Ich kenne in der Millionenstadt Hamburg im 10-km-Umkreis nur noch drei Handwerksschlachtereien.

Was auch eine Rolle spielen drüfte, ist der Fleischkonsum insgesamt.
In Großstädten mit vielen jüngeren Menschen und 1-Personen-Haushalten ist der möglicherweise geringer als im ländlichen Bayern und BW.

Erzähl, viellecht kommen wir ja zusammen schon auf fünf: Göpp in Barmbek und Günther in Groß Borstel.
Nicht zu vergessen eben die Wochenmärkte.

 

[alice d.]

unterscheide "metzger" und "schlachter". wenn ich hier auf den markt gehe, stehen da die landmetzger aus dem odenwald und vogelsberg mit ihren wägen in reih und glied und preisen mit fotos an, welche viecher heute in der auslage liegen. die marinieren, räuchern, wursten... selbst. den unterschied gerade bei der bratwurst schmeckt man.

aber ob die alle auch selber töten und zerlegen? sicher nicht, und das ist glaube ich der hauptangriffspunkt der ganzen verordnungen. der metzger hier um die ecke riecht häufig nach räucherzeugs - aber ebenso häufig sehe ich einen kühllaster in anonymem weiß davor die schweinehälfte ausladen. keine ahnung woher das kommt.
ein bauer hat mir mal erzählt, er läßt bei sich auf dem hof schlachten. keine ahnung, ob das stimmt oder zulässig ist oder wie das funktioniert. da kommt sicher winnetou auf seine westernranch geritten und knallt die galloways mit der silberbüchse auf ihrer schönsten weide mit dem.saubersten blattschuss ab. dieses gewerbe ist ja nicht ganz grundlos komplett von uns abgeschirmt.

aber nicht nur unsere fleischverarbeiter stecken bis zum hals in scheiße - eigentlich tut das die komplette lebensmittelindustrie. die meere überfischt und der fisch voll microplastik, die küken geschreddert, obst und gemüse voller pestizide aus monokulturen am arsch der welt - und jetzt halt fleisch von tönnies.
auch lustig: der hanswurst von bayern-münchen leistet ja schon brav schützenhilfe für seinen kollegen. glaubt ihr in bayern ist alles so viel geiler weil die spitze des eisbergs irgendwo anders auffliegt?

 

[whitewater]

@alice d. Du meinst den Wurst-Hans aus Bayern München?

 

[Tomfisch]

Wir kaufen unser Fleisch ausschließlich von den Metzgern vor Ort und essen bewusst auch bedeutend weniger Fleisch, als noch vor 10 Jahren. Die Qualität der Ware ist uns wichtig und definitiv schmeckt man das auch bzw. sieht es in der Pfanne, wenn das Fleisch nicht zusammenschrumpft wegen zu hoher Wasseranteile. Aber seit ich erfahren habe, dass der Metzger das Fleisch und teilweise auch die Wurst zukauft, habe ich schon meine Zweifel, ob denn wirklich immer die Herkunft eindeutig belegt werden kann. Letztendlich will der Verbraucher ja getäuscht werden, solange er derart auf den Preis fixiert ist und nicht vorranging auf die Qualität schaut. Vertrauen in den Metzger vor Ort habe ich aber auch nicht mehr...

 

[whitewater]

Aber seit ich erfahren habe, dass der Metzger das Fleisch und teilweise auch die Wurst zukauft,

Was wäre denn die Erwartung gewesen? Daß der Meister höchstpersönlich jede Sau zum Abschied gestreichelt hat? Daß er Drölfzig verschiedene Wurstsorten höchsteigenhändig herstellt und immer vorrätig hat. Das alles aber bitte als Familienbetrieb und maximal zwei Angestellten...
Sorry, klingt vielleicht blöd, aber ein Fleischereifachgeschäft ist ja erstmal ein Einzelhandel. Im besten Fall kombiniert mit einem Handwerksbetrieb. Aber letzterer kann immer nur einen Teil der vom Publikum erwarteten Palette liefern und muss natürlich auch "Halbzeug" zukaufen. Ab wann wäre das Fleisch "nicht mehr zugekauft"? Die Rinderhälfte selbst zerlegt? Selbst geschlachtet? Das Viech selber grossgezogen? Gar gezeugt? Als ob Leo je eine Baumschule gehabt hätte
Aber eine arbeitsteilige Kette heißt eben nicht zwangsläufig, daß am Ende nur Schrott unbekannter Herkunft herauskommt. Das geht auch anders.

 

[Tomfisch]

Was wäre denn die Erwartung gewesen?

Die Erwartung ist nicht, dass er selber schlachtet und streichelt, aber dass er die angebotene Wurst selbst macht, hätte ich schon erwartet. Klar: der Kunde will Auswahl, aber ich habe lieber weniger Sorten, dafür aber eben eigene Herstellung

 

[der Franzos]

Die Erwartung ist nicht, dass er selber schlachtet und streichelt, aber dass er die angebotene Wurst selbst macht, hätte ich schon erwartet. Klar: der Kunde will Auswahl, aber ich habe lieber weniger Sorten, dafür aber eben eigene Herstellung

Ich fürchte, dass Du mit Deiner Ansicht eben eher in der Minderheit bist. Die meisten wollen 127 Sorten Wurst zur Auswahl, auch wenn si dann schlussendlich immer die gleichen drei Sorten kaufen. Frag doch Deinen Metzger einfach, ob er selbstgemachte Sorten hat.

 

[Tomfisch]

Ja - eigene Sorten hat er. Zum Beispiel hat er bei Salami 3 eigene Sorten, die er auch als Hausmacher-Salami betitelt. Der Rest (von den vielleicht 15 weiteren Sorten) bekommt er so dazu... Es muss ja auch nicht schlecht sein, was zugekauft wird. Und nicht jeder Betrieb, bei dem er zukauft, muss auch ein schlechter Betrieb sein. Es wird halt nur für die Verbraucher immer schwieriger, einen Überblick zu bekommen.

 

[Mudskipper]

Ich bin total baff und verstehe, wieso die kritische Haltung gegen Fleisch hauptsächlich aus nördlicheren Gefilden kommt. Das sind ja keine Zustände

Das hat tatsächlich auch historische Gründe.
Hier im Norden wurden damals Höfe und Land anders vererbt als im Süden. Im Süden wurde viel mehr Land unter Geschwistern aufgeteilt, im Norden wurde immer nur dem Ältesten vererbt. Schon alleine das hat die Entwicklung zu Großbetrieben begünstigt.
dann ist hier die Nahrungsmittelindustrie in ihrem Lobbyismus sehr stark vertreten. Gerne unter dem Deckmantel Bauern zu helfen, die werden aber in Wirklichkeit industrialisiert und übern Tisch gezogen. Die großen Bauernverbände dekcne das leider, da sich die Funktionäre schön die Taschen vollmachen können um auf der anderen Seite gegen Befürworter kleiner und gesunder Strukturen zu polemisieren. Ein recht aktuelles Beispiel ist "Bauer Willi", der mit die Aktion mit den Grünen Kreuzen ins Leben gerufen hat, (auch zum teil berechtigt) auf Missstände hinweist...in Wirklichkeit aber von der Industrielobby stammt.
Die EU aber auch die Bundesregierung machen es großen Betrieben deutlich leichter. etwas Südlich von mir im Südoldenburger Land gibt es Geflügel und Schweinemast ohne Ende, das ist echt kein Vergnügen dort durchzufahren.

Ich selbst esse nur noch wenig Fleisch und wenn dann von einem Schlachter um die Ecke, der auch noch direkt vermarktet und die Wege der Tiere(Lamm und Rind) sehr kurz sind - ein Radius von nicht mal 15km.
Weiter verarbeitete Produkte bekomme ich über eine wöchentliche Bio-Gemüse Kiste, auch kleine Metzger verkaufen hier zum Großteil den üblichen Wiesenhof etc Kram.

Ich finde es einerseits gut, dass jetzt die Diskussion um Billigfleisch wieder aufflammt, andererseits ist das alles lange bekannt. Die Leute ignorieren es halt, weil es ihnen egal ist

Das 79 Cent Fleisch muss halt auf den 600 Euro Weber-Grill.

 

[Grga]

Was wäre denn die Erwartung gewesen? Daß der Meister höchstpersönlich jede Sau zum Abschied gestreichelt hat? Daß er Drölfzig verschiedene Wurstsorten höchsteigenhändig herstellt und immer vorrätig hat. Das alles aber bitte als Familienbetrieb und maximal zwei Angestellten...
Sorry, klingt vielleicht blöd

Um nicht zu sagen saublöd

 

[der Franzos]

Es wird halt nur für die Verbraucher immer schwieriger, einen Überblick zu bekommen.

also beim Metzger kann man ja noch einfach fragen, aber bei Lebensmittel generell stimmt das leider. Und jegliche Kennzeichnungspflichten, um dem Kunden zu helfen, werden von Agrarminister(in) und Lebensmittel Lobby blockiert.

Edit meinte, dass dies schon mit dem kleinen aber feinen Unterschied bei der Kennzeichnung von E-XXX anfängt: gleiche Nummer, aber entweder naturidentisches Aroma (D) oder künstliches Aroma (A), wenigstens in den 80ern und 90ern war das so.

 

[Ochsenblut]

[...] Das 79 Cent Fleisch muss halt auf den 600 Euro Weber-Grill.

Soll es ja wirklich geben - was man so gelegentlich im Radio hört.

Aber ich oute mich jetzt mal: Ich besitze zwei Weber-Kugelgrills für je 130€, die kleinsten, die es gibt. Das sind die besten Grills, die ich jemals hatte. Super Hitzeverteilung, absolut berechenbar (sofern die Kohle was taugt, da gibt es auch viel Schrott!) und da rosten auch nicht nach zwei Jahren die Beine ab, die Dinger taugen. Die setze ich Sommers wie Winters ein, ca. jedes zweite Wochenende. Und es kommt nur Fleisch vom Metzger drauf. Entweder vom Dambach in Groß Umstadt (Grill 1 in Südhessen), der nur heimische Tiere verarbeitet oder vom Dressler in Großalmerode (Grill 2 in Nordhessen), der sogar eine eigene Schlachterei hat.
Gelegentlich kaufe ich auch Lamm in der Kleinmarkthalle in Frankfurt, die liegt für mich auf dem Arbeitsweg. Da gibt es auch gute Qualität, man weiß allerdings nicht so recht, wo die Ware herkommt.

Jetzt wo ich so drüber schreibe, freue ich mich schon auf den nächsten Grillabend. Lecker!

 

[whitewater]

Gelegentlich kaufe ich auch Lamm ....Lecker!

Da bekomme ich immer ganz böse Blicke von meiner besseren Hälfte, wenn ich beim Sonntagsausflug im Frühjahr am Deich....

 

[der Franzos]

Das 79 Cent Fleisch muss halt auf den 600 Euro Weber-Grill.

Genau!!!!!! Und der Einkauf bei Aldi wird mit dem Zweit-Porsche SUV gemacht......

 

[Gast74883]

Bei uns in Liechtenstein (immerhin ca. 38000 Einwohner) gibt es noch etwa eine 5 oder 6 Metzgereien. Wovon etwa 3 die örtlichen Supermärkte beliefern (jeweils kleineres Nebenregal mit regionalen Fleisch und Wurst Spezialitäten).
Eine dieser Metzgereien wird von meinem Cousin geführt. Schlachten tut aber keiner der Betriebe mehr, da kommen die Schweine und Rinderhälften per LKW und dann wird halt entsprechend veredelt.
Allgemein geht es den ansässigen Metzgereien wieder bedeutend besser, immer mehr Leute wollen lieber bessere Qualität bei entsprechend höheren Kosten...
Für mich gilt ja der "Leberkäs indikator"... wenn der munded, dann kauf ich mein restliches Fleisch auch dort... ich liebe ja Leberkäs (wir sagen Fleischkäs), das ist bei uns quasi die harte Währung

 

[alice d.]

Ich fürchte, dass Du mit Deiner Ansicht eben eher in der Minderheit bist. Die meisten wollen 127 Sorten Wurst zur Auswahl, auch wenn si dann schlussendlich immer die gleichen drei Sorten kaufen. Frag doch Deinen Metzger einfach, ob er selbstgemachte Sorten hat.

glaube ich nicht. zähl mal im rewe durch - da gibt es viele gleichartigkeiten. stemmbar wäre das, ein paar salamis, ein paar fleischwurstabkömmlinge, rindswurst, bratwurst, eine hand voll schinken, fertig. dann macht man sein ladengeschäft nach dem mittagsgeschäft zu und macht drei sorten wurst. wurst ist ja erstmal eine form der haltbarmachung von fleisch.

das problem ist das preisverständnis des kunden - derartige produkte kosten. und das preisgefälle zur tönnies-gammelfleischtheke im discounter ist heftig. wir haben in deutschland absolut kein verhältnis mehr zu anständigen lebensmittelpreisen. geh mal in frankreich ne wurst kaufen oder in italien...

 

[Nick McNoise]

... Wenn das alles nur der Lobby-Einfluss auf irgendwelche Bestimmungen und Verordnungen aus Brüssel wäre, damit nur noch große Betriebe überleben können, warum gibt es dann überhaupt das Thema dieses Threads? Wir haben doch oben schon festgestellt, daß es im Süden von Deutschland durchaus handwerklich organisierte Metzgereien gibt, die man beim besten Willen nicht als Industriegroßbetriebe bezeichnen kann.
Wie können die sich halten?

Diese Verordnungen sind ja nicht so gestrickt, dass sich NUR Großbetriebe halten können, sondern so, dass finanzkräftigere Betriebe begünstigt werden.
Die, die bauliche und sonstige Maßnamen zur Einhaltung der Regularien halt finanzieren konnten und für die das profitabel erschien.

Und da kommt die regional unterschiedliche Bedeutung von Fleisch im täglichen Speiseplan zu Tragen (Veggie-Boom, in wieviel 1-Personen-Haushalten wird überhaupt noch richtg gekocht und wenn, was?).
Mag sein, dass es sich in ländlicheren Gegenden einfach so gehört, sein Fleisch beim örtlichen Schlachter zu holen (soziale Einbindung, um nicht Kontrolle zu sagen).
Mag auch sein, dass es ein Statussymbol ist, sich das teurere Fleisch vom richtigen Schlachter zu leisten.
Plus der Bevölkerungsstruktur (Anteil Geringverdiener oder Hartz4 an der Bevölkerung).
Und natürlich muss man das bessere Fleisch bezahlen können - Vorteil für Leute, die im fast abbezahlten Eigenheim im Grünen sitzen und das in einer Region, der es wirtschaftlich gut geht.
Es ist also eine Frage der Nachfrage, ob sich Schlachtereien halten können.


All das ist in Großstädten und im Norden anders.

Wie auch immer, es ist ein Jammer, dass Handwerk im Lebensmittelbereich so den Bach heruntergegangen ist.

 

[Nick McNoise]

Erzähl, viellecht kommen wir ja zusammen schon auf fünf: Göpp in Barmbek und Günther in Groß Borstel.
Nicht zu vergessen eben die Wochenmärkte.

Radbruch in Osdorf,
Wagner in Eimsbüttel,
und den Dritten gibt es nicht mehr, wie ich gerade gegoogelt habe.

Ich denke auch, dass man differenzieren muss zwischen "Wer schlachtet noch selbst?" und "Wer macht noch eigene Fleischwaren?".

Ich weiss nicht mehr, welche Schlachterei das ist/war, aber die haben schon vor Jahrzehnten angefangen, ihr eigenes Vieh zu ziehen. Aus wirtschaftlichem Gründen und weil sie mit der Qualität dessen, was sie kaufen konnten unzufrieden waren.
Kann man aber auch nur machen, wenn man den Kapitaleinsatz stemmen kann.

Das hat ein Filetsteak dann 50 DM/kg gekostet und ja, man schmeckte den Unterschied.

 

[BergiaBurns]

Rauchst Du? Isst Du Fleisch?

Vor 10/20 Jahren war Rauchen noch allgegenwärtig.
Heutzutage ist es viel weniger geworden, besonders bei den Jugendlichen.

In 10/20 Jahren werden viele auf den Fleischkonsum verzichten, oder
nur noch Fleisch kaufen von Tieren, die es besser haben als es heutzutage der Fall ist.
Vegetarier oder Veganer zu sein ist auch "normaler" geworden.

" Die Leute gehen in den Laden und wollen das gute Fleisch kaufen, und
kommen mit dem billigen wieder raus."


Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandeln.
Mahatma Gandhi

 

[alice d.]

Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandeln.
Mahatma Gandhi

aussage eines cubanischen gewerkschafters zum thema spanferkel: ums tierwohl kümmern wir uns, wenn es den menschen gut geht.

ich finde es grade auch ein wenig einseitig, wie auf eher hochwertigen produkten rumgeritten wird.
betrachten wir mal den convenience-krempel am bahnhof: mc-d, bk, kfc, subway - der grundbaustein ist billigsfleisch. beim einfachen hamburger gibts ne frikadelle für 1 euro inklusive mwst. das ding kostet im einkauf doch höchstens 10 cent. wie soll das gehen? der wahnsinn geht weiter beim doppelhamburger mit zwei von den oblaten für 1.50. dann gehen wir mal die weiteren ketten da durch, ditsch, le crobac und wie sie alle heißen. sicher die hälfte der sachen da sind mit wurst oder schinken. kein bahnhof ohne metzgertheke: für 1.50 das lkw im akkord unter die leute gepumpt. dazu noch ein laden mit wurst im brötchen für 2.50 wenns hoch kommt. davon muß erst mal die miete im bahnhof bezahlt werden... das gibt es alles, weil es läuft. und zwar echt gut.
damit sind frühstück und abendessen des pendlers erschlagen. der gesittete werktätige geht mittags zum.mittagstisch - 5 euro für irgendwas mit fleisch. gerade am bau zählt da gerne masse: da ist mittags der ring fleischwurst dran.

und ich mach mir auch keine illusionen, was das tierwohl bei meinem käse oder yoghurt angeht... die nummer kommt halt nur mit weniger prekär beschäftigten in der großschlachterei aus.