C
Chingachgook
Guest
Hi Freunde,
da ich mich erinnern kann, vor einiger Zeit hier selbst nach Infos zum Thema Musikstudium etc. gesucht zu haben, als Gegenleistung ein eigener Erfahrungsbericht
Ich, 21 Jahre, habe mir nach meinem Zivildienst ein Jahr Zeit genommen, musikalisch richtig weiterzukommen. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, Bass zu studieren, war mir aber 2005 noch nicht richtig klar in welcher Form. Die Angebote sind ja irgendwie erstmal sehr breit gefächert und dann irgendwie doch nicht ... Aber dazu später mehr.
Durch den Kopf gingen mir die BSM, die Popakademie, verschiedene staatliche Musikhochschulen und die Conservatorien in Holland. Nachgedacht hatte ich auch über den Musikweg ohne Studium, also direkt versuchen viel live zu spielen und durch Kontakte mehr und mehr (keine) Frau + Kinder zu ernähren
Innerhalb des Jahres wurde mir schnell klar, dass ich für die BSM kein Geld hatte (und damit auch nicht für Berklee oder irgendeinen Jugendtraum...), aber ein Musikstudium undbedingt herhalten sollte. Schließlich hatte ich keine musikalische Früherziehung genossen und erst spät und dann auch erst nur stockend das Bass spielen angefangen.
Ende 2005 habe ich mir also gesagt, es zum WS 2006 an deutschen Hochschulen im Bereich "Schulmusik" zu versuchen. Hier ist die Prüfung zwar schwer, aber man muss nicht der Brüller auf dem Hauptinstrument sein. Es werden stattdessen sehr viele Punkte im Bereich Klavier/Harmonielehre/Gehörbildung vergeben (Weitaus schwieriger als in der Künstlerischen Ausbildung, Jazz). Das klang mir logisch. Ich hatte mich zurückgelehnt und mir eingeredet, für Schulmusik ja schon gut genug Bass spielen zu können. Das Klavier wollte ich mir dann autodidaktisch draufschaffen. Die Gehörbildung auch.
Leute, ich war wie schon so oft zuvor einfach am Leben vorbei... !
Als ich die ersten Blattspiel Übungen auf dem Klavier machte (Diese weißen und schwarzen Tasten überforderten mich vollends, ich brauchte SAITEN) bin ich fast verrückt geworden. Scheisse, warum geht das nicht von selber?! Unterricht konnte ich mir nicht leisten - Ich hatte zwar ein eigenes WG Zimmer in dem Jahr, hab aber sehr sparsam leben müssen und lebe auch noch so. Also habe ich ab dem Zeitpunkt versucht, mir das Klavier reinzupfeifen.
In der Zeit hab ich schon angefangen ein paar für mich sehr wichtige Kontakte zu Kölner Schulmusikern, also Studierenden herzustellen. Das war für mich total wichtig, weil ich gute Musiker am Start hatte, die mich weitergebracht hatten. Es war auch eine Herausforderung, das eine oder andere mal in wenigen Tagen ein komplettes Live Programm als Sub rauszuschreiben.
Anfang 2006 bemerkte ich meine mangelnde Motivation, mit der Schulmusik später mal auf einem Gymnasium zu landen und rotzenden Fünftklässlern Mozart um die Ohren zu ballern. Ich wollte Musik machen. Live spielen. Im Studio spielen. Nochmal Live spielen. Soul spielen. Funken, Slappen - Und das natürlich alles ohne richtigen Übeplan.
Also fasste ich den Entschluss für die "Königsdisziplin" - Jazz, Jazz, Jazz. Und das nicht in der Schule sondern in verrauchten Bars wo ich hingebungsvoll für die unglaublich attraktive Tänzerin in der ersten Reihe spiele. Zumindest dachte ich so. Der Entschluss war da -> Künstlerische Ausbildung mit Hauptfach E-Bass. Das Problem: War ich gut genug? Ich wusste, dass es an deutschen Hochschulen meist nur einen einzigen Platz zu vergeben gab und ich lehnte mich ein weiteres Mal sicher zurück ... Ich hatte ja noch ein knappes halbes Jahr. Was sollte schon passieren? Heute Abend schau ich mir erstmal paar DVDs an, morgen gehts dann los.
Leute, wie man seine Zeit verballern kann, ich glaubs nicht. Oh gott.
Der Entschluss blieb, das Lattenrost rutschte immer tiefer. Als ich andere Bassisten hörte, die sich auch vorbereitet hatten, hab ich erstmal gemerkt, dass alle anderen Bewerber MINDESTENS in der gleichen Liga spielten und die Konkurrenz bei einem Platz enorm hoch ist. Also - Alle Freunde erwarteten von mir 2006 den Durchbruch an einer deutschen Hochschule, ich pokerte mit Maastricht und Arnheim, weil dort mehr Plätze zur Verfügung stehen.
In den letzten Monaten kam ich Lurch dann auch endlich an den Start. Richtiger Übeplan, Jazzleute gesucht mit denen man spielen konnte etc. etc. Ich wurde besser, keine Frage nur hätte ich mich schlagen können dafür, dass ich schon vorher hätte viel MEHR und SELBSTBEWUSSTER üben/musizieren/spielen können. Ich sagte mir, ich wäre ja erst 21. Es macht ja nix, wenn ich mit 22 nochmal die Prüfung versuche.
An sich auch kein Problem, allerdings darf man in Deutschland an jeder Hochschule nur zweimal vorspielen. Aber egal, ich dachte mir, bevor du dreimal an der gleichen Hochschule vorspielen willst, studierst du BWL und setzt deinen Traum in den Sand.
Wir schreiben also einen Monat vor den Prüfungen. Die Hochschulen wurden alle angeschrieben und die Termine wurden klarer. Dabei waren: KÖLN, ESSEN, STUTTGART, DRESDEN, MANNHEIM, ARNHEIM, ENSCHEDE, MAASTRICHT, ZWOLLE.
So langsam machte ich mir Sorgen, schließlich wollte ich es unbedingt irgendwo schaffen und dann auch net so mit Mühe und Not...
Meine Stücke waren klar. In Holland darf man eine eigene Band mitbringen, also habe ich auf meine Schulmusik Kollegen vertraut. Hier konnte ich auf einen Drummer zurückgreifen (mit dem bin ich gut eingespielt, haben viel geübt) und auf einen sehr guten Pianisten. Für Holland hatte ich also zusätzlich zu dem Programm bei den deutschen Hochschulen noch eine Afro Cuban Groovenummer aus dem Buch "Afro Cuban Grooves - Funkyfying the Clace" für Bassisten und Drummer. Leute, das Buch ist der Hammer, schnappt euch einen Schlagzeuger und nehmt die Stücke mit dem durch. Mich haben die Stücke extrem in Timing und Groove weitergebracht.
Mein Standardprogramm in Deutschland mit fremder zugeteilter Hochschulband war also "kompatibler". Als Einstiegssolonummer "Portrait of Tracy" von Jaco. Ja, für mich war das zwar ne hohe Hausnummer, aber ich kann das Stück gut spielen und wollte zum Anfang nicht direkt ballern, sondern ruhig starten. Dann als Standards das wunderschöne, seltene "Beatrice" (Chet Bakers Version ist Pflicht als Soloidee etc.) und als Bossa "Recordame" weil ich den modalen Anfang zum Solieren super finde.
Dann der Rückschlag. Aus irgendeinem Grund bekam ich 4 Wochen vor den Prüfungen an der linken Hand Nagelbettentzündungen. Und zwar nicht an einem Finger, sondern an DREIEN. Ich weiß bis heute nicht woran das gelegen hat. Vielleicht wegen dem ganzen Vorbereitungsstress, keine Ahnung.
Ich war völlig fertig. Allein schon deshalb, weil ich die letzten Wochen noch für die beiden Standards brauchte und die Afro Cuban Nummer für Holland auch nur "damals" gespielt und nicht mehr aufgefrischt hatte. Aber da ging nichts mehr. Spielen durfte ich nicht und konnte ich auch nicht, das hat so weh getan bei jeglicher Druckausübung - Unglaublich. Ich wollte schon alles hinschmeißen, aber meine Freunde meinten, ich sollte locker bleiben und einfach hoffen, beten, glauben, dass ich kurz vor den Prüfungen wieder spielen kann.
In der ersten Woche der Zwangspause hab ich mich vor den Fernseher und den Computer geknallt. Ich hatte ich meine Jugend, so zwischen 16 und 18 ne extreme Computerphase, wo ich entweder in der Schule oder vorm Rechner war. Das hab ich erst mit dem Zivildienst und dem Bass abschaffen können, aber nach wie vor können mich Computerspiele extrem faszinieren. Naja aber nach der ersten Woche gings mir schlechter als vorher. Also habe ich mich aufgerafft und Klavier geübt. Kleiner Finger und Daumen der Linken Hand waren nicht betroffen, so konnte ich einfache Voicings (Grundton, Quinte) auf dem Klavier greifen und mit der rechten Hand viel machen.
In der Zeit habe ich dann endlich mal ein richtiges Klavierstück ausgearbeitet. "Beautiful Love" - Das wollte ich dann auch in Deutschland vorspielen, hier ist die Prüfung am Klavier PFLICHT, in Holland nicht.
Die ersten Prüfungen (STUTTGART, DRESDEN, MANNHEIM) konnte ich wegen der Hand nicht spielen. Drei Tage vor der Arnheim Prüfung wurds besser und ich fing wieder an. Hab mich mit den Jungs zu ner Probe getroffen, wir haben die Standards durchgesprochen und sind dann gefahren.
Was soll ich sagen, die Prüfung lief ohne es zu erwarten super. Ich hab zuerst "Tracy" gespielt, das fanden die 5 Jungs hinterm Tresen super. Dann habe ich die Afro Groove Nummer nachgeschoben und damit war der spielerische Teil für die Komission beendet. Sie hatten "einen guten Eindruck und genug gehört" - Schade um die beiden Standards, ich hätte ich an dem Tag gerne live gespielt um für restlichen Prüfungen in ESSEN und KÖLN Praxis vor ner Komission zu sammeln.
Weiter gings mit einem Playback von CD und einem gekritzelten Leadsheet. Hier sollte ich spontan Begleitung zu spielen, verschiedene Grooves ausprobieren etc. Die Gimmicks waren ein eingeschobener 2/4 und ein paar Vorzieher. Das hab ich dann auch gut geschafft, zumindest was meinen eigenen Eindruck und den der Schulmu Kollegen draußen anging. Es setzte sich dann jemand ans Klavier und ich sollte immer den tiefsten Ton den Voicings zu den gegriffenen Akkorden spielen. Das war nicht wirklich schwer, weil die einzige Schwierigkeit darin bestand, auch bei Umkehrungen oder vielen Tensions noch den tiefsten Ton zu erkennen.
Naja ich war total happy als sie meinten, ich wäre spielerisch auf jedenfall fürs erste Jahr geeignet (es gibt nämlich auch ein "vorbereitendes Jahr") und solle nun noch zur Theorie. Die war dann auch echt schwer. 2 Stunden saß ich mit einem CD Player da und hab Melodietiktakte runterschgeschrieben und Rhytmen notiert... Aber auch das war bestanden und ich konnte gelassenener nach ESSEN und KÖLN gehen.
Die Hand war noch nicht 100% fit. Wie auch, wenn ich plötzlich aus dem Nichts wieder wie so ein Ochse anfange zu spielen.
Als nächstes war ich in Essen und hier ist mein Traum war geworden. Ich hab den einen Platz bekommen. Natürlich auch mit Glück, weil es nicht soviele Mitbewerber gab wegen dem frühen Anmeldeschluss. In Köln habe ich auch noch vorgespielt, allerdings waren es dort 23 Bassisten und ich habs knapp nicht geschafft. Zumindest sagte das der Dozent und ich sollte es auf jedenfall nächstes Jahr nochmal versuchen, was ja jetzt erstmal nebensächlich ist.
Momentan suche ich also eine Wochnung und freue mich auf das Studium ab dem 1.10.2006. Mal sehen wie es mit meinem Leben weitergeht, ich habe in den letzten Monaten viel gelernt über Übungspläne, Organisation und Musik, dass ich hoffe die 9 Semester Leistungsdruck bei den ganzen Jazzhasen durchzustehen
Was ich dir als evtl. Studieninteressierter auf den Weg geben will: Es ist verdammt nochmal nicht einfach einen Platz zu bekommen. Allerdings darfst du dich nie vom jeweiligen Stellenwert oder Ansehensgrad der Hochschule abschrecken lassen. Ich habe Freunde kennengelernt, die haben es in anderen Bereichen in Arnheim zB nicht geschafft, aber in Köln (!!). Da soll mir nochmal einer sagen, dass es in Holland soviel leichter ist (Oder in Köln soviel schwerer). Die Prüfungen in Zwolle, Enschede und Maastricht habe ich dann gar nicht mehr gespielt, weil ich mit Arnheim die meiner Meinung nach für Bassisten schon beste Hochschule sicher hatte.
Mach dein Ding und auch wenn du erst spät angefangen hast, es gibt ne Chance. Ich hatte auch mächtig Schiss, dass der Zug schon abgefahren ist, weil ich kein kleiner Künstler war, der schon mit 4 auf Bremsseilen gezupft hat.
Robert
da ich mich erinnern kann, vor einiger Zeit hier selbst nach Infos zum Thema Musikstudium etc. gesucht zu haben, als Gegenleistung ein eigener Erfahrungsbericht
Ich, 21 Jahre, habe mir nach meinem Zivildienst ein Jahr Zeit genommen, musikalisch richtig weiterzukommen. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, Bass zu studieren, war mir aber 2005 noch nicht richtig klar in welcher Form. Die Angebote sind ja irgendwie erstmal sehr breit gefächert und dann irgendwie doch nicht ... Aber dazu später mehr.
Durch den Kopf gingen mir die BSM, die Popakademie, verschiedene staatliche Musikhochschulen und die Conservatorien in Holland. Nachgedacht hatte ich auch über den Musikweg ohne Studium, also direkt versuchen viel live zu spielen und durch Kontakte mehr und mehr (keine) Frau + Kinder zu ernähren
Innerhalb des Jahres wurde mir schnell klar, dass ich für die BSM kein Geld hatte (und damit auch nicht für Berklee oder irgendeinen Jugendtraum...), aber ein Musikstudium undbedingt herhalten sollte. Schließlich hatte ich keine musikalische Früherziehung genossen und erst spät und dann auch erst nur stockend das Bass spielen angefangen.
Ende 2005 habe ich mir also gesagt, es zum WS 2006 an deutschen Hochschulen im Bereich "Schulmusik" zu versuchen. Hier ist die Prüfung zwar schwer, aber man muss nicht der Brüller auf dem Hauptinstrument sein. Es werden stattdessen sehr viele Punkte im Bereich Klavier/Harmonielehre/Gehörbildung vergeben (Weitaus schwieriger als in der Künstlerischen Ausbildung, Jazz). Das klang mir logisch. Ich hatte mich zurückgelehnt und mir eingeredet, für Schulmusik ja schon gut genug Bass spielen zu können. Das Klavier wollte ich mir dann autodidaktisch draufschaffen. Die Gehörbildung auch.
Leute, ich war wie schon so oft zuvor einfach am Leben vorbei... !
Als ich die ersten Blattspiel Übungen auf dem Klavier machte (Diese weißen und schwarzen Tasten überforderten mich vollends, ich brauchte SAITEN) bin ich fast verrückt geworden. Scheisse, warum geht das nicht von selber?! Unterricht konnte ich mir nicht leisten - Ich hatte zwar ein eigenes WG Zimmer in dem Jahr, hab aber sehr sparsam leben müssen und lebe auch noch so. Also habe ich ab dem Zeitpunkt versucht, mir das Klavier reinzupfeifen.
In der Zeit hab ich schon angefangen ein paar für mich sehr wichtige Kontakte zu Kölner Schulmusikern, also Studierenden herzustellen. Das war für mich total wichtig, weil ich gute Musiker am Start hatte, die mich weitergebracht hatten. Es war auch eine Herausforderung, das eine oder andere mal in wenigen Tagen ein komplettes Live Programm als Sub rauszuschreiben.
Anfang 2006 bemerkte ich meine mangelnde Motivation, mit der Schulmusik später mal auf einem Gymnasium zu landen und rotzenden Fünftklässlern Mozart um die Ohren zu ballern. Ich wollte Musik machen. Live spielen. Im Studio spielen. Nochmal Live spielen. Soul spielen. Funken, Slappen - Und das natürlich alles ohne richtigen Übeplan.
Also fasste ich den Entschluss für die "Königsdisziplin" - Jazz, Jazz, Jazz. Und das nicht in der Schule sondern in verrauchten Bars wo ich hingebungsvoll für die unglaublich attraktive Tänzerin in der ersten Reihe spiele. Zumindest dachte ich so. Der Entschluss war da -> Künstlerische Ausbildung mit Hauptfach E-Bass. Das Problem: War ich gut genug? Ich wusste, dass es an deutschen Hochschulen meist nur einen einzigen Platz zu vergeben gab und ich lehnte mich ein weiteres Mal sicher zurück ... Ich hatte ja noch ein knappes halbes Jahr. Was sollte schon passieren? Heute Abend schau ich mir erstmal paar DVDs an, morgen gehts dann los.
Leute, wie man seine Zeit verballern kann, ich glaubs nicht. Oh gott.
Der Entschluss blieb, das Lattenrost rutschte immer tiefer. Als ich andere Bassisten hörte, die sich auch vorbereitet hatten, hab ich erstmal gemerkt, dass alle anderen Bewerber MINDESTENS in der gleichen Liga spielten und die Konkurrenz bei einem Platz enorm hoch ist. Also - Alle Freunde erwarteten von mir 2006 den Durchbruch an einer deutschen Hochschule, ich pokerte mit Maastricht und Arnheim, weil dort mehr Plätze zur Verfügung stehen.
In den letzten Monaten kam ich Lurch dann auch endlich an den Start. Richtiger Übeplan, Jazzleute gesucht mit denen man spielen konnte etc. etc. Ich wurde besser, keine Frage nur hätte ich mich schlagen können dafür, dass ich schon vorher hätte viel MEHR und SELBSTBEWUSSTER üben/musizieren/spielen können. Ich sagte mir, ich wäre ja erst 21. Es macht ja nix, wenn ich mit 22 nochmal die Prüfung versuche.
An sich auch kein Problem, allerdings darf man in Deutschland an jeder Hochschule nur zweimal vorspielen. Aber egal, ich dachte mir, bevor du dreimal an der gleichen Hochschule vorspielen willst, studierst du BWL und setzt deinen Traum in den Sand.
Wir schreiben also einen Monat vor den Prüfungen. Die Hochschulen wurden alle angeschrieben und die Termine wurden klarer. Dabei waren: KÖLN, ESSEN, STUTTGART, DRESDEN, MANNHEIM, ARNHEIM, ENSCHEDE, MAASTRICHT, ZWOLLE.
So langsam machte ich mir Sorgen, schließlich wollte ich es unbedingt irgendwo schaffen und dann auch net so mit Mühe und Not...
Meine Stücke waren klar. In Holland darf man eine eigene Band mitbringen, also habe ich auf meine Schulmusik Kollegen vertraut. Hier konnte ich auf einen Drummer zurückgreifen (mit dem bin ich gut eingespielt, haben viel geübt) und auf einen sehr guten Pianisten. Für Holland hatte ich also zusätzlich zu dem Programm bei den deutschen Hochschulen noch eine Afro Cuban Groovenummer aus dem Buch "Afro Cuban Grooves - Funkyfying the Clace" für Bassisten und Drummer. Leute, das Buch ist der Hammer, schnappt euch einen Schlagzeuger und nehmt die Stücke mit dem durch. Mich haben die Stücke extrem in Timing und Groove weitergebracht.
Mein Standardprogramm in Deutschland mit fremder zugeteilter Hochschulband war also "kompatibler". Als Einstiegssolonummer "Portrait of Tracy" von Jaco. Ja, für mich war das zwar ne hohe Hausnummer, aber ich kann das Stück gut spielen und wollte zum Anfang nicht direkt ballern, sondern ruhig starten. Dann als Standards das wunderschöne, seltene "Beatrice" (Chet Bakers Version ist Pflicht als Soloidee etc.) und als Bossa "Recordame" weil ich den modalen Anfang zum Solieren super finde.
Dann der Rückschlag. Aus irgendeinem Grund bekam ich 4 Wochen vor den Prüfungen an der linken Hand Nagelbettentzündungen. Und zwar nicht an einem Finger, sondern an DREIEN. Ich weiß bis heute nicht woran das gelegen hat. Vielleicht wegen dem ganzen Vorbereitungsstress, keine Ahnung.
Ich war völlig fertig. Allein schon deshalb, weil ich die letzten Wochen noch für die beiden Standards brauchte und die Afro Cuban Nummer für Holland auch nur "damals" gespielt und nicht mehr aufgefrischt hatte. Aber da ging nichts mehr. Spielen durfte ich nicht und konnte ich auch nicht, das hat so weh getan bei jeglicher Druckausübung - Unglaublich. Ich wollte schon alles hinschmeißen, aber meine Freunde meinten, ich sollte locker bleiben und einfach hoffen, beten, glauben, dass ich kurz vor den Prüfungen wieder spielen kann.
In der ersten Woche der Zwangspause hab ich mich vor den Fernseher und den Computer geknallt. Ich hatte ich meine Jugend, so zwischen 16 und 18 ne extreme Computerphase, wo ich entweder in der Schule oder vorm Rechner war. Das hab ich erst mit dem Zivildienst und dem Bass abschaffen können, aber nach wie vor können mich Computerspiele extrem faszinieren. Naja aber nach der ersten Woche gings mir schlechter als vorher. Also habe ich mich aufgerafft und Klavier geübt. Kleiner Finger und Daumen der Linken Hand waren nicht betroffen, so konnte ich einfache Voicings (Grundton, Quinte) auf dem Klavier greifen und mit der rechten Hand viel machen.
In der Zeit habe ich dann endlich mal ein richtiges Klavierstück ausgearbeitet. "Beautiful Love" - Das wollte ich dann auch in Deutschland vorspielen, hier ist die Prüfung am Klavier PFLICHT, in Holland nicht.
Die ersten Prüfungen (STUTTGART, DRESDEN, MANNHEIM) konnte ich wegen der Hand nicht spielen. Drei Tage vor der Arnheim Prüfung wurds besser und ich fing wieder an. Hab mich mit den Jungs zu ner Probe getroffen, wir haben die Standards durchgesprochen und sind dann gefahren.
Was soll ich sagen, die Prüfung lief ohne es zu erwarten super. Ich hab zuerst "Tracy" gespielt, das fanden die 5 Jungs hinterm Tresen super. Dann habe ich die Afro Groove Nummer nachgeschoben und damit war der spielerische Teil für die Komission beendet. Sie hatten "einen guten Eindruck und genug gehört" - Schade um die beiden Standards, ich hätte ich an dem Tag gerne live gespielt um für restlichen Prüfungen in ESSEN und KÖLN Praxis vor ner Komission zu sammeln.
Weiter gings mit einem Playback von CD und einem gekritzelten Leadsheet. Hier sollte ich spontan Begleitung zu spielen, verschiedene Grooves ausprobieren etc. Die Gimmicks waren ein eingeschobener 2/4 und ein paar Vorzieher. Das hab ich dann auch gut geschafft, zumindest was meinen eigenen Eindruck und den der Schulmu Kollegen draußen anging. Es setzte sich dann jemand ans Klavier und ich sollte immer den tiefsten Ton den Voicings zu den gegriffenen Akkorden spielen. Das war nicht wirklich schwer, weil die einzige Schwierigkeit darin bestand, auch bei Umkehrungen oder vielen Tensions noch den tiefsten Ton zu erkennen.
Naja ich war total happy als sie meinten, ich wäre spielerisch auf jedenfall fürs erste Jahr geeignet (es gibt nämlich auch ein "vorbereitendes Jahr") und solle nun noch zur Theorie. Die war dann auch echt schwer. 2 Stunden saß ich mit einem CD Player da und hab Melodietiktakte runterschgeschrieben und Rhytmen notiert... Aber auch das war bestanden und ich konnte gelassenener nach ESSEN und KÖLN gehen.
Die Hand war noch nicht 100% fit. Wie auch, wenn ich plötzlich aus dem Nichts wieder wie so ein Ochse anfange zu spielen.
Als nächstes war ich in Essen und hier ist mein Traum war geworden. Ich hab den einen Platz bekommen. Natürlich auch mit Glück, weil es nicht soviele Mitbewerber gab wegen dem frühen Anmeldeschluss. In Köln habe ich auch noch vorgespielt, allerdings waren es dort 23 Bassisten und ich habs knapp nicht geschafft. Zumindest sagte das der Dozent und ich sollte es auf jedenfall nächstes Jahr nochmal versuchen, was ja jetzt erstmal nebensächlich ist.
Momentan suche ich also eine Wochnung und freue mich auf das Studium ab dem 1.10.2006. Mal sehen wie es mit meinem Leben weitergeht, ich habe in den letzten Monaten viel gelernt über Übungspläne, Organisation und Musik, dass ich hoffe die 9 Semester Leistungsdruck bei den ganzen Jazzhasen durchzustehen
Was ich dir als evtl. Studieninteressierter auf den Weg geben will: Es ist verdammt nochmal nicht einfach einen Platz zu bekommen. Allerdings darfst du dich nie vom jeweiligen Stellenwert oder Ansehensgrad der Hochschule abschrecken lassen. Ich habe Freunde kennengelernt, die haben es in anderen Bereichen in Arnheim zB nicht geschafft, aber in Köln (!!). Da soll mir nochmal einer sagen, dass es in Holland soviel leichter ist (Oder in Köln soviel schwerer). Die Prüfungen in Zwolle, Enschede und Maastricht habe ich dann gar nicht mehr gespielt, weil ich mit Arnheim die meiner Meinung nach für Bassisten schon beste Hochschule sicher hatte.
Mach dein Ding und auch wenn du erst spät angefangen hast, es gibt ne Chance. Ich hatte auch mächtig Schiss, dass der Zug schon abgefahren ist, weil ich kein kleiner Künstler war, der schon mit 4 auf Bremsseilen gezupft hat.
Robert
