Träge Greifhand nach Wechsel von Kontrabass zu E-Bass

[yoshi]

Hallo zusammen!

Mein Problem ist, dass wenn ich in einer Band E- und Kontrabass spiele, nach dem Wechsel von KB auf EB eine träge linke Hand habe. Es fühlt sich an als wäre meine Feinmotorik gebremst und ich bin viel träger. Das tritt vor allem nach anstrengenden Songs auf, die z.B. lange Ostinato haben oder bei uptime Swing. Es schmerzt nicht und geht auch wieder vorbei. Aber ich fühle mich meist erst nach paar Stunden oder bei Konzerten am nächsten Tag wieder wohl.

Kennt ihr das Problem und was tut ihr dagegen?


Selber denke ich, dass es ein Kraftproblem ist und indirekt an meiner KB Technik liegt. Ich hatte auch schon mit anderen Bassisten darüber gesprochen, die vom EB her kommen und einer davon meidet die gemischte Situation komplett, weil er dieses Gefühl nicht mag.

Um eine Lösung dafür zu finden habe ich mich bei Bassisten, die auch beides spielen, geachtet und mir fiel ein grosser Unterschied zwischen zwei Gruppen auf. Die Bassisten, die mit KB begonnen haben und erst später mit EB beginnen, spiel extrem hart und grob EB (Heiri Känzig, Christian McBride, Michel Poffet, ...). Bei E-Bassisten, die später mit KB beginnen ist das weniger der Fall. Daraus schliesse ich, dass man beim KB halt mehr mit Kraft und weniger mit Feinmotorik machen muss. Ich will aber nicht auf meine Feinmotorik verzichten beim EB

Zu mir: Ich habe E-Bass studiert und während sechs Jahren Jazz wie auch Klassischen KB Unterricht als Nebeninstrument/Minor erhalten. Ich habe auf dem KB Thomastik "Spirocore" Light drauf. Würde für's zupfen lieber weichere Darm Saiten haben. Das geht mit dem Streichen aber schlecht und im Moment vermag ich nicht einen Streich- und einen Zupfbass.

Schon mal vielen Dank für eure Anregungen und liebe Grüsse
Yoshi

 

[basskontra]

Hallo Yoshi, klar spielt man KB mit einem tendenziell größeren Kraftaufwand als EB, mit weniger Feinmotorik hat das aber nur dann zu tun, wenn man eine schlechte Kontrabasstechnik im schlimmsten Fall sogar mit einem miserabel eingestellten Instrument kombiniert. Um deine Fehler korrekt beurteilen zu können, müsste ich dich hier bei mir beobachten, dann könnte ich dir sagen, was du falsch machst und wo du übemäßig ansetzen musst.
Die Gesamtproblematik Haltung / Motorik wird von E-Bassisten in aller Regel total unterschätzt. Für den einen Song am Abend, an dem man auf KB switcht, ist das scheißegal. Sobald es musikalisch anspruchsvoller wird, trennen sich Weizen und Spreu. Generell würde ich sogar sagen, dass die überwiegend auf Licks basierende Vorgehensweise beim EB für KB nicht funktioniert, man muss dieses Monster mit einem völlig anderen Ansatz bewältigen. Damit will ich NICHT unterstellen, dass du das nicht wüsstest. Eventuell fehlen dir die Methoden, es auch umzusetzen.
Vor ein paar Tagen habe ich einem befreundeten Cellisten eine meiner Kisten geliehen, er brachte ihn am Tag danach zurück mit dem Kommentar: der spielt sich ja leichter als mein Cello! Ja klar, was denn sonst. Ich selbst switche oft zwischen KB, EB und Mandoline, der Schock nach dem jeweiligen Wechsel von und nach egal wohin dauert meistens nur 1-2 Sekunden. Ich spiele alle meine Instrumente extrem ökonomisch mit penibel ausgecheckten Bewegungsabläufen, das ist, wenn du so willst, mein Trick. Man muss sich das vorm Spiegel konsequent und unter Anleitung aneignen. Ferndiagnose geht nicht.

 

[seppblind]

Auch wenn du über noch so ökonomische bewegungsabläufe
verfügst wirst du beim kontrabassspielen ein mehrfaches an
kraft aufwenden müssen als beim spiel.

Außerdem sind wir ja ganz unterschiedlich gebaut :
der eine hat holzfällerbranken, der andere ganz zarte
fingerchen.

mit einem miserabel eingestellten Instrument kombiniert.

Ein eigener bass für die jazz-geschichten wäre sicher hilfreich.
Möglichst gerades griffbrett, niedere saitenlage, weiche saiten,...
und sowas (aber vermutlich weißt du das eh schon alles )

 

[Frederico]

Hallo Yoshi - hallo @all!

Wer meine Vita kennt, der weiß wie ich zum KB gekommen bin - über lange Jahre Gitte, dann EB, dann EUB und schließlich und endlich: "BASS"
Bin NICHT studiert, hatte leider oft keinen guten Lehrer und hab viele Haltungsfehler durch, die ich mir JETZT mühsam abgewöhnen muss. (Hinterher is man(N) immer schlauer)

Kann deswegen auch "nicht viel" zu Deiner Frage beitragen, nur soviel aus meiner Erfahrung:
basskontra und seppblind haben es auf den Punkt gebracht: Kraftaufwand beim KB ist oft unterschätzt und jetzt kommt mein Ansatz:
Wenn ich umsteige auf EB, vorher viel Stücke KB gespielt habe, dann ist meine linke Hand und meine Arm-Schulter-Muskulatur auf "Simandl" eingestellt. Soll heißen das die Unterarmmuskulatur die Finger 2 u. 3 ganz anders unterstützen muss, als beim EB - ich brauch auch ne Weile um mich sogar "vom Kopf" her auf EB einzustellen, nicht nur die horizontal/vertikale Problematik macht mir ganz kurz zu schaffen, sondern auch die Sache mit der Kraft und Beweglichkeit der linken Hand.
Meine Lösung:
Zu Hause den Wechsel oft üben von EB zu KB. Das ist das Eine - dass Andere ist mein "neuer kleiner Gummiball", mit dem ich meine Finger knete und somit die Unterarmmuskulatur mittrainiere.

Vielleicht ist der Ansatz für Dich auch interessant - mir hilfts

- möchte basskontra nochmal zitieren, weil die Aussage für mich wichtig erscheint:

klar spielt man KB mit einem tendenziell größeren Kraftaufwand als EB, mit weniger Feinmotorik hat das aber nur dann zu tun, wenn man eine schlechte Kontrabasstechnik im schlimmsten Fall sogar mit einem miserabel eingestellten Instrument kombiniert. Um deine Fehler korrekt beurteilen zu können, müsste ich dich hier bei mir beobachten, dann könnte ich dir sagen, was du falsch machst und wo du übemäßig ansetzen musst.

Alles Gute Euchs!!!
FREDDY

 

[yoshi]

Vielen Dank für die hilfreichen Antworten!

Klar ist eine Ferndiagnose bei einem so komplexen Thema schwierig. Trotzdem versuche ich noch paar Details zu geben, damit ihr ein genaueres Bild von meiner Situation habt.
Mein Bass ist ein Christopher Violine DB203 Hybrid (Decke aus massiver Fichte, Boden und Zargen aus gesperrtem Ahorn) 3/4, 105er Mensur, der von Georg Pianzola, einer meiner Meinung nach der besten Bassbauer in der Schweiz, umgebaut und eingestellt wurde. Der Steg ist verstellbar wie auf dem Bild von @seppblind (das Bild ist sogar von Georgs Homepage ). Die Saiten sind wie gesagt Thomastik "Spirocore" Light, im Moment habe ich eine eher hohe Saitenlage weil ich viel streiche. Jeder, der meinen Bass bis jetzt gespielt hat sagte, dass er angenehm zu spielen ist. Und ich habe erst drei Bässe gespielt, die ich als einfacher zu spielen wahrgenommen habe. Das lag jeweils an einem dünneren Hals oder an weichen Darmsaiten. Darum denke ich, liegt mein Bass im vorderen Mittelfeld.
Ich bin 1,89m gross und habe grosse, aber nicht riesige Hände, die eher fein gebaut sind. Beim KB spielen muss ich mich in den unteren Lagen schon etwas spreizen, habe das aber nie als sehr anstrengend wahrgenommen.

@basskontra
Genau diese geringen 1-2 Sekunden "Kulturschock" strebe ich an! Und ich vermute wie bereits gesagt auch, dass es an meiner Technik liegt. Trotzdem denke ich, dass mehr Kraft auch weniger Geschwindigkeit heisst. Ich gehe mit dem Traktor nicht auf die Rennstrecke und mit dem F1 Wagen ziehe ich keinen Anhänger. Ich vermute die Antwort liegt irgendwo dazwischen. Also möglichst ökonomisches spielen.
Beeindruckend, die Rückmeldung von dem Cellist! Was hast du denn für einen Bass/ für ein Setting, wenn ich fragen darf? (Darfst mich auch gerne auf einen Link verweisen, falls du das schon irgendwo erläutert hast). Und in welcher Stadt dürfte ich dich denn besuchen?

Meine Lösung:
Zu Hause den Wechsel oft üben von EB zu KB. Das ist das Eine - dass Andere ist mein "neuer kleiner Gummiball", mit dem ich meine Finger knete und somit die Unterarmmuskulatur mittrainiere.

Das mit dem Wechsel zu üben ist eine tolle Idee und versuche ich gleich mal paar Tage. Bezüglich dem Gummiball habe ich mit meinem aktuellen Lehrer Stefan Rademacher gesprochen. Er ist ein toller E-Bassist der zuvor Medizin studiert hat, aber nie Kontrabass spielte. Er hat mir erklärt, dass sich Muskelfasern in zwei Richtungen entwickeln können. Entweder zu träg aber kräftig oder zu schnell aber weniger kräftig. Dies hat mir eine kurze Wikipedia Recherche bestätigt: https://de.wikipedia.org/wiki/Muskelfaser#S-Fasern_.28Typ_1.29
Darum glaube ich nicht mehr, dass mich ein herkömmliches Krafttraining mit so einem Ball zu dem Punkt bringt, wo ich sein möchte.

Liebe Grüsse
Yoshi

 

[basskontra]

Hi @ all, mich kann man im Ruhrgebiet aufsuchen. Wenn du zum Rademacher fährst, bist du schon mal ziemlich dicht dran. Details gerne per PM, das muss nicht allzu öffentlich gemacht werden.

Von Krafttraining für Bassisten halte ich nichts, egal ob Gummiball oder Hantel, allerdings bin ich im Rest - Alltag auch nicht im Schongang unterwegs. Ich schrecke handwerklich vor nichts zurück und bin mir ziemlich sicher, dass die "normal-gesunde" Dauerbelastung dem Basspiel zuträglich ist. Ich habe fast nie (!!) Rücken und hatte exakt 2 x ein orthopädisches Problem in über 30 Jahren, das aus Fehlhaltungen resultierte und rasch behoben werden konnte: einmal im Studium nach zu langer Orchesterprobe im Sitzen, einmal vor ein paar Jahren Tennisarm rechts nach zu viel Rockabilly.

Was hast du denn für einen Bass/ für ein Setting, wenn ich fragen darf?

Tatsächlich sehr verschiedene. Ich habe 4 Kisten im Einsatz (nicht immer alle gleichzeitig ...), die bis auf den Barockbass alle alles können, also mehr oder weniger hybrid eingestellt sind: Hohlkehlen relativ flach aber nicht zu flach, Stegwölbung (und damit Griffbrettwölbung) nicht zu steil und dennoch sehr gut streichbar, Stege justierbar, sehr unterschiedliche Besaitungen. Mensuren von 92 bis 109, Hälse durch die Bank eher dick, Größen von 1/2 bis 7/8tel. Der dicke Brummer mit der 109er Mensur macht mir mit 1,70 und kleinen Händen zu schaffen, das ist definitiv meine Obergrenze, er klingt aber nach 50.000 Euro und spielt sich abgesehen von der Mensur von alleine, weil die Ansprache unglaublich ist.

Ich habe 2 großartige Handwerker für meine Bässe: Kasak in Velbert und Bornhak in Freiburg. Letzterer ist selbst ein sehr guter Bassist, man kann da anders reden. Kasak wiederum hat unendlich viel Erfahrung, ich nenne ihn "Griffbrettgott". Andere kann ich nicht beurteilen, weil ich schon lange nicht mehr dort war. Ein Erfahrungsbericht von vor 10 Jahren nützt da nichts, das muss heute ja nicht mehr stimmen.

 

[claudio]

Ciao alle,

ich komme vom Kontra- und später zum Ebass. Ich muss sagen, dass ich die angesprochenen Probleme nicht wirklich habe. Dabei sind meine beiden Hundehütten klassisch (=hoch) eingestellt, mit nicht verstellbaren Stegen, Saiten sind Spiro light. Der EUB ist mir eigentlich zu flach eingestellt, der schnarrt mir zu schnell, dafür mit sehr wenig Kraftaufwand spielbar.

Ich spiele ziemlch dynamisch und habe gerne viel "headroom" bevor es schnarrt. Das ist bei vielen meiner Ebässe ähnlich. Ich habe nur drei Bässe flach, den ESH 5er, den Ibanez Fretless und den Chris Larkin Archtop Fretless. Die ersteren beiden mit harten Saiten, der CL mit Low Tension Saiten (da akustisch). Der ESH ist ein lauter, gieriger in-your-face Rockbass, der Ibanez singsangt und der Archtop kann man wie einen KB tönen lassen oder singen lassen, gesteuert durch die Zupfposition, den PU und den Anschlag. Die anderen acht Bässe sind eher mittel bis auch hoch eingestellt mit medium/leichten Saiten, so kann ich viel dynamik rausholen, bevor es schnarrt, bzw. wenn man sehr laut spielt, kann man auch einen perkussiven "twäng" rauskitzeln (bei meinem Alltagsbass Chris Larkin Bassix geht das z.B. sehr gut).

Wenn ich bislang einen Gig mit KB und EB spielte, hatte ich bislang noch keine Probleme beim Wechsel. Was ich allerdings nach langen Gigs klar spüre ist eine allgemeine Ermüdung der Handmuskulatur, welche sich mit dem EB natürlich besser überspielen lässt. Mir entgengen kommt der Umstand das ich Ambidexter bin und somit die Muskuatur an meinem linken Arm und Hand sich in etwa gleich entwickelt hat wie rechts, sowohl von der Kraft als auch der Beweglichkeit und Steuerbarkeit her. Ein KB mit müden Fingern gespielt tönt überhaupt nicht, mit dem EB gibt man ein wenig Gain dazu und fast niemand merkt etwas. Könnte Dein Problem einfach auf mangelnde Ausdauer gewisser Muskeln und der trägen Umstellung des Bewegungsapparates in Deiner Linken Hand zu tun haben?

Schwieriger ist der Wechsel vom KB zum Fretless und zurück, das ist von der Intonation her jeweils kurz ein Abenteuer (ich schaue selten aufs Griffbrett), das ist aber reine Kopfsache.

Gruss
claudio