Interessantes Thema. Grundsätzlich für mich nicht mit einem klaren Ja oder Nein zu beantworten. Beates Aussagen, so klar sie sein mögen, finde ich schwierig. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut unserer demokratischen Gesellschaft, und in meinen Augen darf auch jede/r seine Meinung äußern, so lange sein/ihr Handeln im Einklang mit unserer demokratischen Grundordnung und den Gesetzen steht. Völlig egal, ob die Meinung dem vorherrschenden Zeitgeist entspricht oder nicht. Ganz egal ob andere, die die Meinung teilen, ebenjene Grenzen überschritten haben. Cancel Culture ist totalitäres Handeln.
Lieder wie "Behind Blue Eyes" in diesem Zusammenhang zu nennen, entspricht exakt dieser Cancel Culture. Wer sich den Text durchliest, mag zwar viel Raum finden, um persönliche Einstellungen oder Erfahrungen hineinzuinterpretieren, eindeutige Aussagen zu Kindesmissbrauch stehen aber schlicht nicht drin und wurden meines Wissens von Townshend auch nie eingeräumt. Leider machte er halt den Fehler, sich im Internet nachvollziehbar auf den falschen Seiten zu tummeln, wobei selbst dies (Quelle:
Wikipedia) sich wohl als falsch herausstellte.
Beispiele rechtsextremer Gesinnung finde ich allgemein etwas unscharf, da Rechtsextremismus und Rechtskonservativismus sich in Teilen immer mehr anzunähern scheinen. Stichwort "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen." Grundsätzlich trenne ich Kunst und Künstler voneinander, oder ich versuche es wenigstens. Würde Xavier Naidoo tolle Musik machen, wäre es sein Privatvergnügen, ob er sich gedanklich in der Nähe der Reichsbürgern und Antisemiten sieht, seine Musik sollte für sich stehen können. In dem Moment, wo er in seinen Texten eben diese Gesinnung zum Thema macht, nutzt er seine Popularität, um Einfluss zu nehmen und Hörer zu mobilisieren. Da bin ich dann raus, egal ob Gerichte es im rechtlichen Rahmen als legitim einstufen oder nicht. Selbst von unserer Gesellschaft Meinungsfreiheit einfordern, und gleichzeitig den gesamten Staat ablehnen und umbauen wollen, der unter anderem genau das garantiert, das passt nicht.
Ob nun Chick Corea Scientologe war oder nicht, ist mir hingegen völlig egal, da trenne ich dann auch komplett. Seine Musik hat keinerlei ideologische Funktion, und niemand gerät in die Fänge von Scientologen, nur weil manchmal daheim Spain läuft. Ehrlich gesagt wusste ich bis eben nicht einmal, dass Chick Corea Scientologe war, und das Wissen darum macht seine Musik nicht besser oder schlechter. Wagner war bekennender Antisemit, so what? Ich mache mich doch nicht mitschuldig am Holocaust, als dessen "Soundtrack" man Wagner vielleicht bezeichnen könnte, wenn mir die eine oder andere Wagner-Oper gefällt. Und Wagner selbst hat seine Musik vermutlich auch nicht mit der Intention geschrieben, damit politische Gegner im KZ zu foltern.
Anders verhält es sich in meinen Augen bei Rechtsrock-Bands, die ihre Haltung in Songs zum Ausdruck bringen und die damit Stimmung gegen unser Staatssystem zu machen versuchen. Oder zu Gewalt gegen gesellschaftliche Gruppen aufstacheln. Hier reden wir dann nicht mehr von freier Meinung im Rahmen der demokratischen Grundordnung, sondern vom Versuch, dagegen aufzubegehren. Als überzeugter Demokrat kann ich solche Sachen nicht akzeptieren, und sei die Musik noch so gut. Man könnte sagen, der Text macht die Musik.
So, und nun Feuer frei, meine Aussagen könnten ja durchaus etwas polarisieren.
