Saitenmix?

[Koschka Kolja]

Griaß Eich!

Vielleicht kann mir ja jemand bei folgendem Thema helfen:
Seit Jahren spiele ich einen 4/4-Kontrabass von einem befreundeten Instrumentenbauer und bin auch höchst zufrieden mit dem Instrument. Für gewöhnlich spiele ich ja E-Bass, und ein handgebautes Instrument zu besitzen, ist da eh schon fast Perlen vor die Säue...

Der Bass singt enorm und besitzt ein unglaubliches Sustain, was ja auch schön ist. Dennoch, seit einem Jahr spiele ich ihn ausschließlich in einer Folk-Band (von Ost bis West), und da wäre dann mehr Wumms untenherum, besonders auf der E-Saite gefragt. Ich habe das Gefühl, daß sich so manche Kiste von anderen Musikern, die für sich alleine dumpf klingt, besser durchsetzt.

Derzeit spiele ich Thomastik-Saiten, ich glaube Spirocore heißen die, und zwar einen Solo-Satz, weil auf der 4/4 Mensur der normale Satz einfach zu hart und meiner Meinung nach "überspannt" ist.
Die A- und die D-Saite klingen sehr gut. Aber mit der E-Saite bin ich mangels oben beschriebenen Wumms nicht so wirklich zufrieden. Die G-Saite ist ganz okay, könnte aber eine Spur wärmer klingen.

Ich kann mir vorstellen, daß diese Frage nicht einfach ist, aber vielleicht hat jemand von Euch schon ähnliche Erfahrungen gemacht und kann mir weiterhelfen...

Bässte Grüße und schon einmal Danke!

 

[Herr K]

Erstmal ein herzliches Willkommen hier im Forum, vor allem Kontrabasser gibts hier immer zu wenige!

Zu deiner Frage...
Hast du Solosaiten runtergestimmt, damit du Orchesterstimmung (E-A-D-G) hast, oder spielst du die
Solosaiten in F#-B-E-A?
In Orchesterstimmung kannst du das ganze sowieso vergessen, da die Saiten dann schon von vornherein zu wenig Druck/Zug haben,
damit sie noch vernünftig klingen. Sind sind ja für nen Ganzton höher ausgelegt und das merkt man dann vor allem im Bassbereich.
Ich gehe mal davon aus, dass du einen Orchesterbass hast, bzw. einen neueren Bass.
Die brauchen mehr Druck auf der Decke, damit sie auch schwingen.
Mit Solosaiten wird also der Klang dünner und brillianter.
Deswegen klingt dein Bass alleine auch schöner, als der von deinen Kollegen.

Solosaiten sollen/wollen untenrum keinen Druck haben sondern oben schön klingen,
sind auch hauptsächlich für das Spiel im Daumenaufsatz gedacht. Außerdem sind die
Solosaiten nicht mal halb so dick, lassen sich also im Vergleich zu richtigen Pizzicatosaiten
richtig schlecht spielen, weil sie kaum griffig sind und haben eben keinen fetten durchsetzungsfähigen Basston,
sondern einen Soloton.

Sind dir die normalen Sätze vom greifen zu hart oder vom anspielen, also linke oder rechte Hand?
Ist es die Linke, dann solltest du vielleicht die Saitenlage niedriger machen lassen.
Spielst du auch Bogen oder nur gezupft?

Im Moment würde ich dir wohl zu Kunststoffsaiten raten. Die sind allerdings schlecht zu streichen,
falls du das auch willst. Sind aber sehr angenehm vom Saitenzug/-Druck und klingen etwas wärmer
als Stahlsaiten aber nicht ganz so warm wie Darmsaiten. Dafür sind sie relativ günstig, lange haltbar
und halten gut die Stimmung.

Beispielsweise die Jazzicato.
http://www.jonaslohse.de/saiten.html

 

[Koschka Kolja]

An Herrn K:

Also zunächst einmal vielen, vielen Dank für die kompetente Anwort!
Ich wußte schon, warum ich mich endlich mal an das bassic-forum wandte.
Da findet man zu den meisten Themen jemanden, der einem weiterhelfen kann.

Im Prinzip sollte es ja logisch sein, daß die dünnen Solo-Saiten in der "normalen" Stimmung zu wenig hergeben. Ist ja beim E-Bass auch so, wenn vielleicht nicht ganz so eklatant.

Wie Du richtig erkannt hast, sind mir die normalen Stahlsaiten ein wenig zu hart zum Spielen. Es liegt allerdings nicht am Instrument, das in der Tat neu ist - herrlicher Bass, wenn auch in mancher Hinsicht unorthodox! -, sondern einfach an der mangelnden Praxis.

Außerdem habe ich, wahrscheinlich komplett unbegründet, ein wenig Angst, dem Instrument hinsichtlich des Drucks auf der Decke zu viel zuzumuten. Andererseits, wenn ich das jetzt so schreibe und an die Strapazen während so mancher Festivals oder bei der Straßenmusik denke, könnte ich eigentlich sorgloser diesbezüglicher sein, oder? Ich meine, die Kiste hält doch ziemlich viel aus (bitte, ich setze oder stell mich auch nicht drauf...)

Dem Tipp mit den Kunststoffsaiten möchte gerne einmal folgen, denn ich befürchte, abgesehen von der Kostspieligkeit, daß Darmsaiten nicht die richtige Wahl für den Einsatz des Instrumentes sind. Das Instrument wird immerhin oft im Freien gespielt, und ich weiß nicht, ob Darmsaiten das mit hoher Stimmstabilität quitieren.
Dennoch, irgendwann würde ich natürlich auch gern so einen Satz ausprobieren. Vielleicht hast Du ja da diesbezüglich noch einen Rat für mich.

Es ist übrigens richtig - ich spiele eigentlich nie mit dem Bogen. Wäre zwar interessant zu lernen, aber die Zeit (und vor allem die Geduld...).

Bevor ich nun aber einen komplett neuen Satz aufziehe, werde ich erst noch Saite für Saite zum normalen Satz in Orchesterstimmung wechseln. Den habe ich nämlich noch zuhause. Bin neugierig, was sich dabei verändert. Vielleicht taugt mir dann auch die härtere Bespielbarkeit, denn in letzter Zeit (viele Konzerte, viele Proben) merke ich, daß mir besonders die E-Saite fast ein wenig zu nachgiebig ist. Mal sehen...

Und: bevor ich zu einem neuen Saitenmaterial wechsle, an Dich oder Euch alle folgende Fragen:

1. gibt es irgendwelche Empfehlungen bezüglich Stahlsaiten? Was sind Eure Lieblingsfabrikate, und warum bzw. in welchem Kontext spielt Ihr sie?

2. habt Ihr Erfahrungen darin, verschiedene Saitenmaterialien auf ein und demselben Instrument einzusetzen. Bringt das was oder ist es "nur" Gras-Wachsen-Hören?

Vielen Dank und liebe Grüße!

 

[Herr K]

Zitat:Original erstellt von: Koschka Kolja


Außerdem habe ich, wahrscheinlich komplett unbegründet, ein wenig Angst, dem Instrument hinsichtlich des Drucks auf der Decke zu viel zuzumuten.

So ein Bass hält schon was aus. Und zu wenig Druck auf der Decke kann auch schaden, da die Stimme nicht fest im Bass sitzt.

Eine sehr gute Methode zu testen, ob deine Saiten zu viel Druck haben:
Stimme sie in normaler Stimmung. Spiele etwas und versuche zu hören, ob zu viel oder zu wenig Druck drauf ist.
Jetzt kannst du alle Saiten mal einen Halbton höher oder tiefer stimmen. Wenn das Instrument in eine Richtung besser klingt, dann such neue Saiten, die einen entsprechenden Zug haben, notfalls den Hersteller anschreiben.

Klingt der Bass nach Hochstimmen der Saiten besser, dann brauch dein Bass mehr Druck (gerade bei neuen Instrumenten nimmt man eher stärkere Saiten).
Klingt der Bass besser, wenn du die Saiten runter gestimmt hast, dann nim welche mit weniger Zug. Alte Instrumente vertragen oft nicht mehr so einen hohen Saitenzug, da sie oft eben für Darmsaiten und nicht für Stahl (gabs damals ja noch nicht) gebaut wurden.

Zitat:
Dem Tipp mit den Kunststoffsaiten möchte gerne einmal folgen, denn ich befürchte, abgesehen von der Kostspieligkeit, daß Darmsaiten nicht die richtige Wahl für den Einsatz des Instrumentes sind. Das Instrument wird immerhin oft im Freien gespielt, und ich weiß nicht, ob Darmsaiten das mit hoher Stimmstabilität quitieren.

Ich spiele meine Därme auch im Freien, da kann es aber schon des häufigeren passieren, dass man im Lied schnell nachstimmen muss.
Wenn das Wetter umschlägt können Darmsaiten teilweise bis zu einen Ton tiefer in 5-10 Minuten sein, da sie sehr viel Wasser aus der Luft ziehen.
Gute Kunststoffsaiten kommen aber fast an den Darmton ran, manche mögen den Sound sogar mehr, wie immer Geschmackssache!

Edit: In geschlossenen Räumen kann es auch schnell Probleme geben. Vor dem Gig ist keine Sau da, die Luftfeuchtigkeiet ist viel geringer, wenn dann beim spielen das Bier fließt und die Leute schwitzen und tanzen, dann steigt die Luftfeuchtigkeit sehr schnell an und du musst auch wieder nachstimmen.

Zitat:
Dennoch, irgendwann würde ich natürlich auch gern so einen Satz ausprobieren. Vielleicht hast Du ja da diesbezüglich noch einen Rat für mich.

http://www.hervejeanne.de/saitenmatrix.php

Herve hat sich viel Mühe gegeben einige Saiten aufzunehmen, ist nicht schlecht, um mal einen groben Überblick zu bekommen, wie sich welche Saiten(-materialien) verhalten.

Ich bin bis jetzt immer von Pirastro sehr angetan gewesen, allerdings liegen die Olivs bei über 400€, also ein teurer Versuch.

Spiele am besten viele andere Bässe, die du auf Konzerten vielleicht mal von Kollegen anspielen kannst.
Aber: Jede Saite klingt bei jedem Bass anders. Eine mittenbetonte Saite bringt nichts auf einem Bass, der schon von sich aus die Mitten gut bringt, dann gibts Gewummer.
Du kannst aber wenigstens testen, ob dir die Haptik und der Grundklang der Saiten gefällt.

Zitat:
Es ist übrigens richtig - ich spiele eigentlich nie mit dem Bogen. Wäre zwar interessant zu lernen, aber die Zeit (und vor allem die Geduld...).

Dann spricht nichts gegen Kunststoffsaiten.

Zitat:
Bevor ich nun aber einen komplett neuen Satz aufziehe, werde ich erst noch Saite für Saite zum normalen Satz in Orchesterstimmung wechseln. Den habe ich nämlich noch zuhause. Bin neugierig, was sich dabei verändert. Vielleicht taugt mir dann auch die härtere Bespielbarkeit, denn in letzter Zeit (viele Konzerte, viele Proben) merke ich, daß mir besonders die E-Saite fast ein wenig zu nachgiebig ist. Mal sehen...

Was vor allem viel besser ist (trotz höherem Zug der dicken Orchestersaiten), ist eben die Dicke. Dadurch lassen die Saiten sich viel besser greifen, sind wesentlich lauter und du strapazierst deine Finger weniger, Solosaiten "schneiden" sich doch sehr arg ins Fingerfleisch und sind so dürr unter den Fingern.

Zitat:
1. gibt es irgendwelche Empfehlungen bezüglich Stahlsaiten? Was sind Eure Lieblingsfabrikate, und warum bzw. in welchem Kontext spielt Ihr sie?

Ein "Standard" und Jazzbassern sind Pirastros "The Jazzer".
Sie sind relativ weiche und sehr schön zu greifen, habe sie allerdings bis jetzt nur auf fremden Bässen gespielt, also nicht so ausführlich.

Zitat:
2. habt Ihr Erfahrungen darin, verschiedene Saitenmaterialien auf ein und demselben Instrument einzusetzen. Bringt das was oder ist es "nur" Gras-Wachsen-Hören?

Ich halte das für Quatsch (Darm + Darmumwickelt bleibt ja Darm vom Sound, zhlt hier also nicht), denn jedes Saitenmaterial hat seinen eigenen Grundklang. Man möchte ja auf dem ganzen Bass einen homogenen Sound.

Viel Spaß beim testen und erzähle uns doch bitte weiter, was du für dich herausgefunden hast.

 

[Koschka Kolja]

Ja, lieber Herr K,

nochmals vielen Dank für Deine umfangreiche Antwort und all Deine Anregungen!

Ich werde mich jetzt mal ans Testen machen, was sicherlich auch aufgrund des finanziellen Aufwands einige Zeit dauern wird. Doch bin ich auch der Meinung, daß sich der Einsatz lohnen wird, denn ich bin überzeugt, daß es das Instrument wert ist, und vor allem die Freude am Spielen. Und dafür ist einfach auch ein perfekt funktionierendes Equipment entscheidend.

Freuen tut's mich zwar jetzt auch, aber wenn der Sound einen Sprung nach vorne macht, hält die Freude auch weiter an. Toll sind außerdem die Aha-Erlebnisse, und auch wenn ich dank meiner Ausbildung eh schon einen Schatz an Grundkenntnissen habe, so ist der Kontrabass halt immer wieder Neuland. Wobei ich allerdings glaube, daß es vielen so geht, auch denen, die tief im Instrumentenbau drinnen stecken.

Naja, wurscht, Gaudi, ich schreib schon wieder zu viel.
Bin jedenfalls gespannt, ob sich noch andere zu dem Thema melden.
Ich werde auf jeden Fall meine Erkenntnisse mitteilen, und - ohne jetzt zu überenthusiastisch klingen zu wollen - ich bin sehr froh, daß es das Forum gibt, denn da brennen mir noch andere Themen auf der Zunge, die ich gelegentlich loswerden möchte...

All the Bässt!

 

[Herr K]

Klaro, die Saiten sind der wichtigste Faktor für den Sound, nach den Fingern, denn die Saiten machen den Ton,
der Rest gibt ihn dann wieder...

 

[bassatuba]

Hallo Koschka Kolja,
Deine Frage ist - wie Du anfangs auch sagst - nicht einfach und nachdem ich ich die oben stehenden Beiträge von Herrn K gelesen habe, ist das Wesentliche auch gesagt.

Trotzdem zwei kleine Zusätze:
Ich bin nach verschiedenen Versuchen bei meinem Reisebass (Tscheche au Sperrholz) mit den Pirastro Jazzern sehr zufrieden: nicht zu hart und angenehme Dicke auch für längeres Spiel. Viel viel Punch, besonders in den Tiefen - aber sie streichen sich schlecht.
Auf meinen Vollholzbässen spiele ich seit einiger Zeit die Pirastro Evah Pirazzi, Saiten mit modernem synrhetischem Kern metallumwickelt. Sie sind sehr angenehm in der Griffhand, sprechen sehr gut an, lassen sich gut streichen und zupfen und bringen einen bassigen, hölzernen Ton vom ppp bis zum ff.

Sowohl die Jazzer als auch die Evah Pirazzi sind sehr stimmstabil und in einer mittleren Preisklasse.

Gut Ohr und viel Glück bei Deiner heiklen Suche (und vielleicht nimmst Du noch einen Testhörer mit, der den Sound aus einiger Distanz beurteilen kann).