Röhrenzerre vs. Blend?

[scheme]

Hi zusammen,
Vorneweg, in den wenigen Jahren in denen ich Bass spiele hatte ich noch nie die Ehre auf einem Röhrenamp zu spielen. Neugierig bin ich vorallem, da man hier und andernorts immer wieder hört und liest wie grandios und unerreicht Röhrenzerrsounds sind.

Bei einer Röhrenzerre wird ja das ganze Signal verzerrt. Bei Zerrpedalen z.B. wird ja mittlerweile ein Clean-Blend fast als Muss angesehen. Das kann ich soweit nachvollziehen, wenn ich bei unserer Feierabend-Krachtruppe ein Zerrer ohne Blend ausprobiere, merke ich schon deutlich wie das Fundament und teilweise der ganze Sound im Mix untergeht (eben dank zweier Gitter mit Röhren).

Irgendwie widerspricht sich das aus meiner Sicht. Müsste der hochgelobte Röhrensound dann nicht auch dieselben Probleme haben ohne Cleansignal? Falls nicht, weshalb ist das so? Wie sind eure Erfahrungen?

Danke für die Aufklärung!

 

[lallys]

Ich habe in den wenigen Momenten wo Zerre nötig war ein Pedal vor dem Röhrenamp genutzt. Die „gute“ Röhrenzerre ist ja die Übersteuerung der Endstufenröhre, das geht bei 100 W, bei 300 (SVT) fliegen Dir dabei die Ohren weg. Beim Ampeg v4bh zum Beispiel mit seinen 100 W geht das natürlich früher (als einem manchmal lieb ist) - hier fällt m.E. aber tatsächlich nur wenig Tiefbass weg. Das wird ein Röhrenspezi sicher auch techn. erklären können.
Die meisten User werden -so glaube ich- Röhre im Bassbereich nicht wegen der Zerre spielen sonder eher aus anderen Gründen (Sound, Vehemenz, Kompression etc.)

 

[orgeloli]

natürlich macht ein Blend Regler Sinn, zumindest theoretisch.
Ich hab für mich festgestellt, das Zerrsounds einfach mehr Substanz haben, wenn sie nicht geblendet werden.
Geht natürlich nicht mit jedem Pedal....hab lange suchen müssen.

Vollröhrenamps reagieren ähnlich...man kann auch mit Vol. Pedalen arbeiten und damit vor- und/oder endstufenröhren anblasen.

Aber letztendlich gibt es unendlich viele Zutaten um seinen Sound zu kreieren.

Selbst eine Billigzerre kann richtig eingesetzt verdammt viel Spaß machen.

Oli

 

[Bassman135]

Hallo @scheme

Ich hab grad diese Woche mein Board verkleinert und mein Blend-Pedal wegrationalisiert. Lange Rede kurzer Sinn: ich werd den Blend wieder einbauen, ich hab dadurch so viel mehr Fundament!

Röhrenzerre am Bass ohne Blend klingt geil, sehr sogar. Wenn Du aber mit ein bis zwei verzerrten Röhrengitarristen spielst, die ihre Akkorde mit Dir zusammen fullrange bis in den Keller durchziehen, hast Du ohne Blend keine Chance.

Die Frequenzen sind hier ausschlaggebend.

 

[alice d.]

Die meisten User werden -so glaube ich- Röhre im Bassbereich nicht wegen der Zerre spielen sonder eher aus anderen Gründen (Sound, Vehemenz, Kompression etc.)

geht mir mit dem mywatt so. allerdings kenne ich auch von einem freund den svt im zerrbetrieb und ich kenne unsere zerrensammlungen (alle ohne blend) vor beiden amps. wenn du den sound von svt-zerre willst (und das ist ja quasi der heilige gral des bassistischen röhrenzerrsounds) braucht man wohl die dicke berta höchstpersönlich mit all ihren nachteilen. bodentreter klingen anders, matschen mehr, verlieren mehr fundament. und wegen den letzten zwei punkten ist der blend-regler ein gutes feature. damit bekommt man zwar immer noch einen anderen sound als mit überfahrenem amp, aber der sound wird tighter. ansonsten mußt du eine sache machen, mit der du dir bei gitarristen und tontechnikern keine freunde machst: du mußt die zerre lauter stellen als den cleansound, um noch gehört zu werden. aber immerhin hast du einen cleansound - den hast du mit einem zerrenden einkanaligen röhrenamp nämlich nicht.

 

[pitsieben]

Die Zerrsounds, die mir am bässten gefallen sind allesamt aus cleanem Bassbereich und verzerrtem Hoch- Mittletonbereich zusammengemischt. Geddy Lee, Dug Pinick um nur zwei zu nennen. Das erlaubt unbedenkliche Pegel und ist gut zu handlen.

Der Druck, der der SVT Zerre nachgesagt wird, entsteht durch die immense Lautstärke, die dafür nötig ist.

 

[TheBass]

... wenn du den sound von svt-zerre willst (und das ist ja quasi der heilige gral des bassistischen röhrenzerrsounds)...

Wurde nicht schon mal hier im Forum diskutiert, dass ausgerechnet das SVT Urvollröhrenmonster seinen typischen Zerrsound durch zwei Halbleiterdioden in der Vorstufe erreicht ?

Anmerken möchte ich allerdings, dass ich in Sachen Zerre eher ein Noob bin. Bei mir wird der knackige Bass eher durch Glockenklang und AER serviert.

 

[scheme]

Die „gute“ Röhrenzerre ist ja die Übersteuerung der Endstufenröhre, das geht bei 100 W, bei 300 (SVT) fliegen Dir dabei die Ohren weg.

Der Druck, der der SVT Zerre nachgesagt wird, entsteht durch die immense Lautstärke, die dafür nötig ist.

Ok, dass dies durch die Endstufe zustande konmt wusste ich nicht, erklärt dann aber eben die Lautstärke

Wenn Du aber mit ein bis zwei verzerrten Röhrengitarristen spielst, die ihre Akkorde mit Dir zusammen fullrange bis in den Keller durchziehen, hast Du ohne Blend keine Chance.

Genau das ist auch meine Erfahrung mit Pedalen ohne Blend. Mit einer Gitarre gehts meist noch gerade, bei zweien gehe ich komplett unter. Daher ist es also auch bei Röhren der Fall.

du mußt die zerre lauter stellen als den cleansound, um noch gehört zu werden. aber immerhin hast du einen cleansound - den hast du mit einem zerrenden einkanaligen röhrenamp nämlich nicht.

Also lässt sich zusammenfassend sagen, dass Röhren zwar auch Fundament verlieren, jedoch nicht so stark wie Pedale. Kompensieren lässt sich das durch Lautstärke, korrekt soweit?

 

[lallys]

Ich hänge mich mal mit ner Frage hier rein:
Nach diversen Bass, Amp und Boxen Käufen und Verkäufen bin ich wieder bei meiner alten Kombi Ampeg SVT 2 und Stingray (knapp 20 Jahre mein Standard) angekommen (allerdings jetzt mit Gloka 6x10 statt früher Ampeg 610) und würde gerne wieder einen tube factor als Zerre nutzen. Der klaut aber eben leider Bässe. Was tun um Blendfunktion zu kriegen bzw. das Problem zu umgehen? Der Amp hat keinen Effektkanal der regelbar ist.
Equalizer zum Bassboost in Kombi mit dem tube factor und einem boss ls 2? Der Amp selbst hat ja einen zuschaltbaren EQ mit Fußschalter (on/off). Lässt sich da was draus basteln was mit einem Fußklick regelbar ist oder muss ich in die Tiefen der Verzerrersuche einsteigen um den sound des tube factors wieder zu bekommen? Der Stingray ist ja bisserl eigen mit Overdrive...

 

[pitsieben]

Du kannst doch am LS2 einen A/B Mix anwählen. Baust du in einen Loop den Tube Factor, den anderen schließt du für das Dry-Signal kurz und kannst über die Potis die Anteile Mischen. Für Clean dann auf Bypass. Dis easy.

Tolle Kiste. Brauch ich im Moment nicht, aber das Ding würde ich nie verscheuern.

 

[disssa]

Jupp, einfach den Tube Factor in einem Loop des Boss LS-2 legen und dann den "Blend-Anteil" wählen...

 

[lallys]

Gleichzeitig den EQ des Amps mitaktivieren geht dann nicht, oder?

 

[Bassman135]

Alternativ zum Boss gibts z.B. von One Control den Mosquito Blender Trail und den Mosquite Blender Expressio, oder von Xotic den X Blender.

Gleichzeitig den EQ des Amps mitaktivieren geht dann nicht, oder?

Das ginge mit einigen der grösseren, programmierbaren Looperswitcher-Leisten, z.B. mit dem Moen GEC8 Jr. Da kannst Du das Amp-Umschalten mit einprogrammieren. Um den Blender, mit Deiner Zerre im Loop, kommst Du aber nicht drum rum.

Ich hab mir das GEC8 Jr wegen seiner Funktionen und dem guten Preis gekauft, würde es aber wegen nicht so toller Qualität nicht empfehlen, sondern zum doppelt so teuren Boss greifen.

Bei mir sitzt der Blender ganz am Anfang der Kette, meiner hat zwei zusammenmischbare Loops. Im Loop A hab ich einen Kompressor hängen, das ist mein leicht komprimierter und gefärbter Cleansound, im Loop B hab ich meine Effekte hängen, z.B. Zerren und Reverb. Diese beiden Kanäle mische ich per riesigem Potiknopf zusammen.

Die Wetterbox kann ich, für alle die zwei Loops im Blender brauchen, uneingeschränkt empfehlen.

 

[pitsieben]

Gleichzeitig den EQ des Amps mitaktivieren geht dann nicht, oder?

Nicht über den LS2. Da müsstest du extra treten oder einen EQ in einen der Loops hängen.

 

[Bassman135]

Da müsstest du extra treten oder einen EQ in einen der Loops hängen.

Oder eben:

Das ginge mit einigen der grösseren, programmierbaren Looperswitcher-Leisten, z.B. mit dem Moen GEC8 Jr. Da kannst Du das Amp-Umschalten mit einprogrammieren. Um den Blender, mit Deiner Zerre im Loop, kommst Du aber nicht drum rum.

 

[Bassman135]

Offtopic, aber auch geil für Amps mit Send/Return:

OKKO FX | MASTERMASTER

 

[Mudskipper]

Wurde nicht schon mal hier im Forum diskutiert, dass ausgerechnet das SVT Urvollröhrenmonster seinen typischen Zerrsound durch zwei Halbleiterdioden in der Vorstufe erreicht ?

Japp, lange her bestimmt 12 Jahre. Ich weiss es noch, weil ich einen technisch fitten Freund dazu gefragt hatte und er sich sogar für ein, zwei Posts dazu hier angemeldet hatte.

Ich mixe Clean/ Drive mit meinem Helix, da nehme ich gerne das Sansamp-Derivat, reisse den gut an und mixe davon dann so viel zum cleanen Signal wie ich es brauche. Allerdings ist mein Cleansound meistens schon gut angesättigt. Ich habe aber auch einen zweikanaligen Amp wo ein Kanal ganz klar bleibt und der andere schön satt und bisschen angeknuspert .
Für manche Drivesounds nehme ich bewusst kein Cleansignal dazu, das muss einfach durch alle Frequenzen durchbrezeln.

 

[lallys]

Alles klar, also Blender und tubefactor und ggfs. Boss EQ. Na dann besorg ich mir erstmal wieder einen tubefactor. Besten Dank!

 

[E-A-D-G]

Wurde nicht schon mal hier im Forum diskutiert, dass ausgerechnet das SVT Urvollröhrenmonster seinen typischen Zerrsound durch zwei Halbleiterdioden in der Vorstufe erreicht ?

So ist es.
Wobei die zwei Halbleiterdioden nie ganz in die Sättigung gehen aber sie tragen schon gut bei zum "Gesamteindruck" bzw. zum Zerrverhalten.

 

[E-A-D-G]

Man muß generell höllisch aufpassen zwischen dem was man hört und was man glaubt zu hören.

Gängige Praxis bei Röhrenpreamps ist doch den Röhrenpreamp "anzublasen" um einen gewissen Grad an Zerre zu erreichen.
Und wenn es zerrt dann ist alles gut weil es "Röhrenzerre" ist.

Denkste!
Man muß hier arg unterscheiden ob es bei Preamp xy überhaupt sinnvoll sein kann den Preamp "anzublasen".
Beim SVT arbeitet die erste Röhre im Preamp über den Kathodenwiderstand stromgegengekoppelt und damit wird das Zerrverhalten eher bescheiden ausfallen wenn man den Preamp stark "anbläst".
Das klingt nicht viel besser als Bipolar Emitterschaltung mit schwacher Stromgegenkopplung.
Der klassische SVT Preamp ist nicht dafür gedacht (und auch nicht geiegnet) dass es überhaupt irgendwo im Preamp zerrt weil dort alle Stufen stromgegengekoppelt arbeiten!

Beim Fender Bassman und Konsorten wird man deutlich bessere (eher Röhrentypische) Ergebnisse erhalten wenn man den Preamp "anbläst".

Röhrenzerre ist nicht immer gleich Röhrenzerre und nicht jede Röhrenzerre klingt automatisch gut nur weil eine Röhre in der Schaltung sitzt.
Manches lässt sich auch sehr gut mit Halbleitern nachbilden. Ich habe vor langer Zeit mal zwei LT-Spice Simulationen auf Soundcloud hochgeladen, die eine Zerr-Schaltung mit Röhre, die andere mit J-Fet. Und da war faktisch niemand mehr (auch die Experten nicht) in der Lage zu sagen welcher Sound gehört zu welcher Schaltung.